Webwecker Bielefeld: bbaverleihung20051

Datenkraken ausgezeichnet (02.11.2005)





Die Jury hat getagt: ( v.l.n.r.:) Fredrik Roggan, Werner Hülsmann,
padeluun, Karin Schuler, Alvar Freude, Rena Tangens, Rolf Gössner



Zum sechsten Mal wurden am vergangenen Freitag in Bielefeld die Big Brother Awards verliehen. In acht Kategorien wurden Personen und Institutionen an den Pranger gestellt, die das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzten. Den meisten Applaus erhielt der scheidende Innenminister Otto Schily, der für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde.



Von Mario A. Sarcletti

Einige Neuerungen bei der Verleihung der Big Brother Awards sprangen den Besuchern der Veranstaltung direkt ins Auge. Zum einen waren die Veranstalter vom »Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs« (FoeBud) aus dem Murnau-Saal, der im vergangenen Jahr aus allen Nähten platzte, in den größeren Historischen Saal der Volkshochschule umgezogen. Die zweite Neuerung war die Raumgestaltung: Der Bielefelder Bühnenbildner und Theaterregisseur Matthias Harre hatte am Eingang ein Labyrinth aus geschreddertem Papier aufgebaut, tatsächlich verloren einige Besucher in dem Datensalat die Orientierung. Zudem beobachteten überall im Raum überdimensionale Augen das Geschehen.

Eine weitere Neuheit gab es dann auch bei der Verleihung des Preises in der Kategorie »Technik«: »In dieser Kategorie haben den Big Brother Award so viele verdient, dass er keinem verliehen werden konnte«, gab Laudatorin Karin Schuler von der Deutschen Vereinigung für Datenschutz bekannt. Stattdessen ging der Preis in diesem Jahr »an eine Sammlung eifriger Überwachungsfetischisten«, die in zunehmendem Maße ihre Mitmenschen per Videokamera überwachen.

Dabei werden die Kameras immer »intelligenter«, eine Mustererkennugssoftware schlägt Alarm, wenn die Beobachteten eine bestimmte Verhaltensweise an den Tag legen. »Wenn Sie kurzsichtig sind und im U-Bahnhof Brandenburger Tor erst an Ihrer Freundin, mit der Sie verabredet sind, vorbeilaufen, und wieder zurücklaufen, nachdem sie ihnen nachruft – dann sollten Sie sich auf einen kleinen Polizeiauflauf einstellen«, nennt Karin Schuler ein Beispiel für eine solche auffällige Verhaltensweise. Denn die ist für die Kamera typisch für Drogendealer.

Aber nicht nur die Berliner Verkehrsbetriebe, die den U-Bahnhof Brandenburger Tor den Herstellern von Überwachungstechnik als Testareal zur Verfügung stellen, setzen auf Kontrolle durch Kameras, auch der große Bruder Deutsche Bahn setzt die automatischen Späher flächendeckend auf seine Kunden an. Aktuell plant das Unternehmen, sämtliche Kameras auf deutschen Bahnhöfen an eine Überwachungszentrale in Berlin angeschlossen werden. Nicht nur der bahneigene Sicherheitsdienst, auch die Bundespolizei soll auf sie zugreifen können. »Abgesehen von der fehlenden rechtlichen Grundlage für die Konstruktion fragt man sich, wie sinnvoll es ist, wenn man in Berlin sieht, dass in München Ost gerade jemand überfallen wird«, kritisierte Schuler die Pläne.

Neben der Videoüberwachung vor der Tür der BBA-Verleihung im Ravensberger Park nannte Schuler die »Wellness-Oase Mediterana« in Bergisch Gladbach als besonders krasses Beispiel für die Verletzung der Intimsphäre von Bürgern. Dort beobachten Kameras die Umkleidekabinen. Keine Skrupel zu haben scheint auch der MacIntosh-Großhändler GRAVIS, der Bilder von Kunden, die er der Mitgliedschaft in einer Hehlerbande bezichtigt, ins Internet stellte.