Webwecker Bielefeld: Pinguis

Der Südpol lebt!



Die Reise der Pinguine

Von Harald Manninga

Vom Schlumpf lernen, heißt siegen lernen. Jedenfalls soll Leonardo da Vinci mal gesagt haben, dass ein schlechter Lehrling einer ist, der seinen Meister nicht überflügelt, und so gesehen hat Regisseur Luc Jacquet von seinem Lehrmeister Hans-Ulrich Schlumpf wohl in der Tat gut gelernt: Bei dessen Film »Der Kongress der Pinguine« (1993) war Jacquet noch »nur« als ein Kameramann unter mehreren dabei und hat des Meisters Blick auf die Umweltverschmutzung am Pol in Bildern mit eingefangen. Jacquet zeigt nun, wie lebensfeindlich diese Umwelt auch allein schon sein kann. Auf dem DVD-Cover für den »Kongress« steckt vor himmelblauem Hintergrund ein Pinguin in einem Ölfass und sieht an sich herunter. Auf dem Plakat für die »Reise« sieht ein Pinguin vor himmelblauem Hintergrund auf sein frisch geschlüpftes Junges herab. Soviel zu den Ähnlichkeiten.

Überflügelt hat Jacquet seinen einstigen Chef aber schon mal in Sachen Publicity. Schlumpfs Film spürt man nur noch mit etwas Recherche auf, und der Name Schlumpf erscheint grad mal auf Webseiten für »lustige Namen«, aber kaum im Zusammenhang mit publikumswirksamer Filmkunst. Jacquets Film ist dagegen in aller Munde und hat wohl gute Chancen, zum erfolgreichsten Dokumentarfilm »aller Zeiten« zu werden. Noch hat Michael Moore mit »Fahrenheit 9/11« da die Nase vorn, jedenfalls in den USA, wo die »Reise« direkt nach dem Start auf Platz zwei der erfolgreichsten Dokus vorangeschritten ist. Mal schaun, wie sich das entwickelt, nachdem der Film jetzt auch in andern Ländern anläuft.

Denn erstmal scheint das ja etwas langweilig: Die Pinguine latschen durchs Eis irgendwohin, machen da erstmal Brutzeit, und später laufen alle wieder zurück, zu Hunderten. Wer weiß, wohin genau. Wer weiß, warum eigentlich. Und wer will das überhaupt wissen? Egal, sie tuns eben, und zwar im Gänsemarsch vor grandios karger Kulisse, und das filmen wir halt alles mal ab. Ende der Geschichte.


Wären da nicht all die Gedanken, die man sich beim Betrachten des Naturgeschehens machen kann. Irgendeinen Sinn wird das ja wohl alles schon haben, was diese Pinguine da durchmachen (und ein einfaches Leben haben die nun wahrlich nicht). Und dass man sich das anschaut. Und davon sogar noch gefesselt ist. Also webt mensch sich eben »Sinn« hinein in das scheinbar (oder doch nur anscheinend?) Sinnlose, das zu sehen ist. Wofür der Film sehr viel Raum lässt. Dass z.B. die Männchen die Eier ausbrüten, während die Weibchen nach der Eiablage erstmal wieder abtauchen und im antarktischen Gewässer nach Nahrung jagen! Dass Pinguine anscheinend monogam sind und einander in diesem Gewimmel wiederfinden! Überhaupt: Das Wunder des (Über-) Lebens! Warum nur nehmen die das alles auf sich?

Es wäre so schön, wenn es an diesem Film nichts zu bemäkeln gäbe! Denn die Bilder sind schlicht hervorragend. Das »Kino im Kopf«, das sie allein auslösen könnten, könnte von Hitchcock sein (was genau war nochmal ein »McGuffin«?). Oder allein die Vorstellung, dass die Filmcrew über ein Jahr lang in der Antarktis rumgestapft ist, nur um eine Kohorte Pinguine bei ihren täglichen eisigen Verrichtungen zu beobachten und daraus eine dramaturgisch stimmige (Nicht-) Geschichte zusammenzuschneiden... Chapeau!


Wären da nicht diese Hörspiel-Texte aus dem »Off«, die alle naselang den Tieren wie Sprechblasen im Comic weitere Vermenschlichung aufzusetzen versuchen. Dass das Pinguin-Junge sich grad jetzt fragen möge, wie es das wohl alles überleben soll, während es hungrig und zitternd auf Pappis Füßen balanciert, um nicht auf dem bösen Eis am Boden festzufrieren – das haben wir uns auch grade besorgt gefragt, dazu brauchen wir keinen quäkenden Vorsager alberner Püppchen-Monologe.


Aber sonst: Sonderklasse! Ohren zu und los!