Webwecker Bielefeld: Wächter

Matrix in Moskau



Wächter der Nacht

Von Harald Manninga

Sie sind mitten unter uns: die »Anderen«, die ein Normalsterblicher nicht sehen kann, die aber dennoch einen immensen Einfluss auf unser Leben haben. Und vor allem ist er jetzt endlich unter uns, der erste Blockbuster aus Russland. An dem viele Dinge bekannt vorkommen mögen, aber das schadet ihm überhaupt nicht.


Vor tausend Jahren haben die »Anderen«, nämlich die Armeen der Finsternis und des Lichts ihre bisher letzte Schlacht geschlagen. Weil sie gleich stark waren, trafen sie ein Übereinkommen: Es wird nicht weiter gemetzelt, sondern man teilt sich die Welt - die einen bekommen die Nacht, die andern den Tag, und dabei überwachen sie sich gegenseitig in ihrem jeweiligen Tun. Irgendwann aber wird ein »Anderer« kommen, mächtiger als alle anderen »Anderen«, der das Gleichgewicht ins Wanken bringt.

Schnitt ins Moskau der 90er Jahre: Antons Frau hat ihn verlassen und erwartet von ihrem neuen Lover ein Kind. Er wendet sich an eine Hexe, um an diesem Umstand was zu ändern. Was er nicht weiß: Diese Frau ist eine »Andere« von der dunklen Seite. Viel verstörender aber: Bei dieser Gelegenheit stellt sich heraus, dass er selbst auch ein »Anderer« ist. Er schließt sich der hellen Seite an und wird einer der »Wächter der Nacht«, die dafür zuständig sind, das Treiben der Dunklen in Schach zu halten. Wächter Anton begeht jedoch einen folgenschweren Fehler, als er einen Vampir tötet statt ihm, wie es sein Auftrag war, sein neues menschliches Opfer nur zu entreißen.

Dies wäre kein »Fantasy«-Film, wenn nicht in etwa alles vorkäme, was zum Genre gehört: Vampire, Hexen, Geisterjäger, dunkle Horden von Krähen, blutige Kämpfe unter magischen Wesen, eine Unheil versprechende Prophezeiung um einen »Auserwählten«... Sogar eine weiße Eule kommt vor, die heißt aber nicht Hedwig, sondern Olga. Insofern ist »Wächter der Nacht« – je nach Gusto – genauso langweilig oder spannend wie jeder andere Fantasy-Film. Andererseits ist er aber trotzdem etwas Besonderes, aus mehreren Gründen.

Die Story, übrigens nach dem ersten Teil einer Romantrilogie von Sergej Lukianenko, ist mit ihren feinen Verästelungen manchmal etwas schwer zu verfolgen, doch ist das in diesem Fall eher eine Stärke. So ist zum Beispiel die Verteilung zwischen »gut« und »böse« nicht so leicht auszumachen, wie das sonst gern der Fall ist. So gesehen sind diese »Anderen« gar nicht so viel anders als die Menschen, die ihnen wie Spielbälle ausgeliefert sind. Die Tricktechnik ist (bei einem Budget von umgerechnet »nur« vier, manche sagen fünf, Millionen Dollar, womit er der teuerste Film ist, der je in Russland gedreht wurde) mehr als beachtlich und braucht einen Vergleich mit ähnlichen Dingen aus Hollywood nicht zu scheuen. Manchmal nahezu halsbrecherische Kamera- und Schnitttechnik bei meist grauem Licht, dazu selten gesehene Überblendungen, mit denen Normalos und »Andere« voneinander unterschieden werden, geben dem Film eine angenehm gruselige Atmosphäre. Nicht zuletzt aber der Schauplatz Moskau ist allein schon »neu« genug, um diesen Film sehenswert zu machen.

Dazu noch eine Hand voll phantasievoll und witzig umgesetzte Einfälle wie etwa der Bolzen, der sich von einem in Not geratenen Düsenjet löst, um nach so und so viel tausend Metern freiem Fall durch Wind und Wetter in einer Kaffeetasse zu landen – hat entschieden was. (Selbst wenn die Schleichwerbung in dem Fall mehr als ärgerlich aufdringlich wird.) Und macht neugierig auf die folgenden zwei Teile, von denen der eine, »Wächter des Tages«, eben abgedreht wurde. Der dritte Teil, »Wächter des Zwielichts«, soll in Hollywood gedreht werden, und es wird gemunkelt, dass dafür dann 80 bis 100 Millionen Dollar zur Verfügung stehen. Bleibt zu hoffen, dass die sympathischen Ecken und Kanten, die den Charme des ersten Teils mit ausmachen, nicht im amerikanischen Mainstream abgeschliffen werden.