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Meinung machen (14.09.2005)



Von Manfred Horn

Am Sonntag ist Bundestagswahl. Weiß jemand, wie´s ausgeht? Bei den großen Meinungsforschungsinstituten schwankt die CDU/CSU eine Woche vor der Wahl zwischen 40,5 und 42 Prozent, die SPD zwischen 29,6 und 34. Drittstärkste Partei wäre Die Linke./PDS, die die Institute zwischen 8 und 9,7 Prozent verorten. Die Grünen kämen demnach auf einen Wert zwishcen 7 und 8,1, die FDP zwischen 6 und 8 Prozent.

Damit ist, kurz gesagt, vieles möglich. Die SPD glaubt an ihren Trend und will der CDU/CSU bis zum Wahltag noch entscheidende Prozentpunkte abjagen – es wird sogar die Zahl 38 Prozent genannt. Die CDU/CSU hingegen geht vorsichtig auf Distanz zu ihrem Experten Paul Kirchof, der sich immer mehr zum Bumerang entwickelt. Ins Kompetenzteam geholt, um zu punkten, schreckt er inzwischen mit seinen Vorschlägen eher ab. Oder anders gesagt: Seine Ideen sind ein gefundenes Fressen für die SPD, um sich dort zu positionieren, wo man hinwollte: Als das kleinere Übel für die kleinen Leute. Angst fressen nicht nur Seelen auf, sondern sorgen auch für das eine oder andere Wählerkreuz.

Die FDP wiederum ist in diesem Wahlkampf seltsam blass geblieben, vorbei die Zeiten, in denen mittels Guidomobil die Menge für zweistellige Ergebnisse bespaßt wurde. Die Grünen kämpfen, und dürfen sich wohl auf ein Ergebnis um die acht Prozent freuen. Die große Unbekannte bleibt die Linkspartei. Sie polarisiert, und wurde von den großen Medien in den vergangenen Wochen reichlich mit Negativschlagzeilen eingedeckt. »Wein für Alle« scheint trotzdem eine beträchtliche Zahl von Zustimmern zu finden.

Aber Vorsicht. Es sind die Meinungsforschungsinstitute im Verbund mit den Medien, die selbst Politik machen. Denn die Stichproben, meist Befragungen von 1.000 Wahlberechtigten, ergeben nur ein ungenaues Bild der Wählergunst. Die Spanne reicht durchaus mehrere Prozentpunkte nach oben und nach unten. Übersetzt hieße das am Beispiel der FDP: Sie kann sowohl bei 4 als auch bei 8 Prozent landen. Nobody knows, schon mal gar nicht die Institute. Dies wird von diesen aber nicht vermittelt. Vielmehr werden die wöchtenlichen Umfragen, die schon weit vor der Wahl starten, von den Medien genutzt, um politische Stimmung zu machen – und nicht zuletzt, um sich zu verkaufen oder bessere Quoten zu erzielen.

Beispiel Bürgerschaftswahl 2003 in Bremen: Das Institut Forsa sagte voraus, die CDU lande vor der SPD. Bürgermeister Henning Scherf erklärte schon mal seinen Rücktritt, falls die CDU stärkste Partei werden solle – was auch das Ende einer großen Koalition bedeutet hätte. Darauf hin wählten viele die SPD, die schließlich bei 42 Prozent landete, während die CDU entgegen der Forsa-Vorhersage drei Wochen vor der Wahl nicht bei 38, sondern bei unter 30 Prozent endete. Oder: Sagen die Demoskopen der CDU/CSU nun sinkende Umfragewerte voraus, kann dies durchaus nochmals Anhänger der C-Parteien mobilisieren, die sich sonst gesagt hätten: Wir bleiben zu Hause, weil wir ja sowieso gewinnen.


Dreiheiligkeit auf dem Markt

Letztlich tritt eine Dreiheiligkeit auf den Markt: Ein Bündnis von Meinungsforschungsinsitut, Medien und Partei. Denn Forsa zum Beispiel ist SPD-nah. Was die CDU in NRW gar zu der Aussage veranlasste: »Wo Forsa draufsteht, ist SPD drin«. Umgekehrt wird dem Meinungsforschungsinsitut Allensbach wohl nicht zu Unrecht eine gewisse Nähe zur CDU/CSU unterstellt. Deren Gründerin Elisabeth Noelle ist eine überzeugte Konservative. Als Wissenschaftlerin hat sie die Schweigespirale entworfen: Die Vertreter der jeweils vermeintlich herrschenden Meinung vertreten diese offensiv; die Vertreter der vermeintlichen Minderheitsmeinung verstummen je mehr, desto mehr sie sich in der Minderheit glauben. Übersetzt auf Meinungsforschung vor Wahlen hieße das: Wo viele ihr Kreuz machen, mache ich auch meins – ich will schließlich zu den Gewinnern gehören.