Webwecker Bielefeld: Charlie 1

Bunt, süß, schrill



Von Harald Manninga

»Charlie und die Schokoladenfabrik«

Gene Wilder, der 1971 in der Verfilmung des Romans von Roald Dahl die Hauptperson »Willy Wonka« gab, schmollt, so heißt es in den Gazetten: Das hätte doch nu nicht sein müssen, dass man einen Film, den er schon mal gemacht hat, jetzt nochmal macht! Och, Menno!

Statt nu froh zu sein, dass sich auf diese Weise überhaupt jemand an seinen Film erinnert. Ist der eigentlich in Deutschland gelaufen? Egal, ein Film von Tim Burton kann schon per Definition kein Remake sein, diese Handschrift ist einfach unverwechselbar. Und erst recht, wenn Johnny Depp ihm die Hauptrolle macht. Jetzt schon zum vierten Mal und mal wieder herrlich!

Willy Wonka ist der Besitzer einer Schokoladenfabrik. Neurotisch, überkandidelt, ein Wunderkind, das Genie der Süßwarenbranche. Das neiden ihm die Konkurrenten, klar. Wegen mehrerer Fälle von Industriespionage macht Wonka seine Fabrik quasi zu, entlässt jedenfalls alle Mitarbeiter. Produziert aber weiter, und das mit größtem Erfolg. Und niemand weiß, wie.

Charlie Bucket ist ein kleiner Junge, der nichts so liebt wie Schokolade. Er bekommt aber nur zum Geburtstag welche, denn seine Familie ist sehr arm und lebt in einem winzigen windschiefen Häuschen: Sein Vater arbeitet nämlich als Zahnpastatubenzuschrauber in einer Zahnpastafabrik, und da verdient man eben nicht viel. Und jetzt verliert er auch noch seinen Job, weil diese Arbeit automatisiert wird.

Willy Wonka meldet sich nach 15 Jahren der Abgeschiedenheit persönlich in der Welt zurück. In fünf Schokoladentafeln sind goldene Karten versteckt, und die fünf Kinder, die sie finden, gewinnen eine Führung durch Wonkas Fabrik. Einer oder eine der fünf gewinnt außerdem einen Überraschungspreis.

Fast glaubt man es nicht mehr, dass noch passiert, was ja passieren muss, so lange dauert es und so verschlungen sind die Wege dahin, nämlich dass Charlie doch noch eine der goldenen Karten findet und mit dabei ist. – Naja, und dann geht’s eben richtig los.

Roald Dahl ist bei uns ja nicht unbedingt als Kinderbuchautor berühmt, sondern mehr für abgedrehte Mysteriositäten (»Küsschen, Küsschen«) oder auch schräge Erotik (»Onkel Oswald und der Sudankäfer«). In Großbritannien und anderen englischsprachigen Ländern ist er dafür andererseits ein Kinder-Klassiker wie hier vielleicht Otfried Preußler oder Max Kruse. Warum eigentlich ist Roald Dahl hier so »verkannt«? Vielleicht ist deutschen Kindern das Anarchische, manchmal Brutale, verspielt Kindlich-Egoistische, Mystische in Büchern wie »Hexen, Hexen!« oder »Matilda« nicht zumutbar? Oder die – allerdings ja liebevolle, wenn auch etwas absehbare – Schwarz-Weißmalerei in Sachen »Charlie«? Fügt sich ja wirklich nicht unbedingt nahtlos in die Niedlichkeit von »Urmel« und »Räuber Hotzenplotz« ein... Aber egal, hier gehts ja um den Film.

Den Tim Burton mit seinen anarchischen, mystischen, abgedrehten, surrealistischen Bildvorstellungen – doch, hier ist das böse Wort mal angebracht – kongenial dem Buch nachempfunden hat.

»Ein Fest für die Augen« beschreibt nur schemenhaft, was hier zu sehen ist. Gradezu eine Explosion an Farben und Formen wird hier geboten. Und alles hängt an Süßigkeiten, vor allem aus Schokolade, einem ganzen Fluss aus Schokolade, zusammen einem veritablen Wasserfall, besser: Schokoladenfall aus (übrigens echter) Schokolade. Und das ist ja nur die Ausstattung! In der Nussknackabteilung sieht man echte Eichhörnchen, die wie am Fließband Nüsse für Willy Wonkas weltberühmte Schokoladentafeln knacken (denn nur Eichhörnchen können Walnüsse so knacken, dass dabei eine ganze Nuss rauskommt, is ja logisch). Zugegeben: So wie man sie dann wirklich sieht, sind die natürlich etwas computerisch bearbeitet, aber trotzdem!