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Raum für Abschied und Erinnerung (Teil 2)



Am Anfang der Suche nach Alternativen lohnt ein Blick auf die anderen großen Religionen. Buddhisten erscheint die von Christen ersehnte Kette von Tod und Wiedergeburt als Strafe. Ihr Ziel ist vielmehr, sie irgendwann zu zerreißen und ins schützende Nichts zu gelangen. Weil jeder selbst bestimmt, auf welchem Weg er dieses Nichts erlangt, schreibt der Buddhismus keine festen Bestattungsrituale vor. Üblicherweise werden die Toten verbrannt, die Hinterbliebenen halten die Erinnerung mit Altären und Opfergaben zu Hause wach.

Jüdischem Glauben nach dürfen Leichname nicht verbrannt werden, weil der Körper eine Leihgabe Gottes sei, die es nicht zu beschädigen gilt. Tote werden in der Erde bestattet, zahlreiche Rituale regeln die Trauerzeit. Der jüdische Glaube hebt alle sozialen Unterschiede im Tod auf. Leichname werden nach rituellen Waschungen in ein einfaches, von Hand genähtes Totenhemd gekleidet und, als Konzession an europäische Bestattungsvorschriften, in einem schlichten, grob gezimmerten Sarg beerdigt.


Trost und Erinnerung

Jüdische Beerdigungen verlaufen ohne Musik und Blumengaben. Trauernde zerreißen ein Stück Kleidung, um ihrem Schmerz Ausdruck zu geben. Teilnehmende hinterlassen einen Stein am Grab als Zeichen ihrer Erinnerung und Wertschätzung. Danach werden im trauernden Haus die Spiegel verhängt.

Auch der muslimische Glaube schreibt rituelle Waschungen der Toten als heiligen Akt vor. Der Verstorbene soll sauber vor seinem Schöpfer stehen. Die Sonne weist den Weg nach Mekka, die Toten werden mit dem Kopf nach Osten beerdigt, und zwar möglichst innerhalb eines Tages. Auch das lässt sich mit deutscher Gesetzgebung nicht vereinbaren. Hier werden Leichname frühestens 36 Stunden nach ihrem Tod zum Begräbnis freigegeben.

Gläubig oder nicht haben Menschen, die einen Verlust erleiden, massive Seelenschmerzen zu bewältigen. Trauer ist keine Krankheit, aber es dauert, sie zu verarbeiten. Nur wer den Verlust annimmt, kann reifen und genesen, zeigt die Erfahrung. Darum brauchen alle Menschen eine Abschieds- und Erinnerungskultur, die tröstet, die Loslösung vom Verlorenen erleichtert und die Erinnerung lebendig hält. So können Rituale und Symbole auch nichtreligiösen Menschen helfen, einen Toten so zu verabschieden, wie sie es stimmig finden.

Zurück zur Gänsehaut. Die Website http:www.deathclock.com bietet die Möglichkeit, sich den eigenen, statistisch wahrscheinlichen Todeszeitpunkt ausrechnen zu lassen. Die Uhr läuft, unerbittlich verrinnen die Sekunden. Das ist schwer zu akzeptieren für eine Gesellschaft, die gern Splatterfilme schaut, den letzten Blick auf den toten Opa aber scheut.

Die gängige Trauerkultur packt die Nachricht eines Todes in euphemistischen Brei, da wird »entschlafen«, »heimberufen«, als ob es »tot« nur in Kriminalromanen und Ballerspielen gäbe. Im allgemeinen Verdrängungswettbewerb wissen Freunde und Kollegen nicht mehr, wie sie mit Trauernden umgehen sollen, lassen sie lieber »in Ruhe«, als ihre Unterstützung anzubieten. Doch die können Trauernde gebrauchen.


Vier Phasen der Trauer

Psychologisch gesehen durchlaufen Menschen, die einen Nahestehenden durch Trennung oder Tod verlieren, vier Phasen der Trauer. An erster Stelle stehen der Schock über den Verlust und die Weigerung, das Geschehene zu begreifen und zu akzeptieren. Empfindungslosigkeit kann diese Phase kennzeichnen, der Trauernde spürt weder Freude noch Schmerz, ist wie betäubt. In der nächsten Phase finden starke Emotionen den Weg ins Bewusstsein. Wut, Verzweiflung, Schuldgefühle und Schmerz dringen mit fürs erste überwältigender Heftigkeit an die Oberfläche.