Webwecker Bielefeld: ashkali02

Die Angst vor Donnerstag (Teil 2)



Trotz dieses »doppelten Drucks«, wie es Beate Niemeyer nennt, auf die Behörde geht deren Einschätzung der Stabilität dem nordrhein-westfälischen Innenministerium offensichtlich nicht weit genug. »Der Umstand, dass die Zivilverwaltung des Kosovo (UNMIK) in Rückführungsfällen zum Teil eine andere Auffassung vertreten hat bzw. vertritt und sich dabei auf Einschätzungen des UNHCR beruft, stellt die vorstehend dargelegte Rechtsauffassung (nämlich, dass die »Rückführungen« zumutbar seien, MAS) nicht in Frage«, heißt es in einem Erlass des Ministeriums vom 11. April 2005.

Etwa drei- viertausend Menschen sind nach Einschätzung Beate Niemeyers noch aus der Zeit vor dem Abschiebestopp für eine Abschiebung angemeldet, darunter fünf Familien aus Bielefeld. Die Bielefelder Zahl bestätigt Uwe Quermann, Leiter der Ausländerabteilung im Bielefelder Rathaus. »Diejenigen Personen, die jetzt noch angemeldet sind, bleiben das auch«, kündigt er an. »Wenn nicht persönliche Gründe hinzukommen«, fügt er hinzu.

Diese persönlichen Gründe sieht Beate Niemeyer bei vielen Betroffenen. »Die meisten sind krank, bei einigen wird das langsam unberechenbar«, beschreibt sie die Auswirkungen der Angst vor Abschiebung. Sie hofft, dass ihre angeschlagene Gesundheit die Betroffenen vor der »Rückführung« schützt. Denn »schwerwiegende krankheitsbedingte Gründe« können nach §25 des Aufenthaltsgesetzes zu einem Bleiberecht führen. Allerdings hat Beate Niemeyer erlebt, dass auch die »Gefahr für Leib und Leben« immer wieder mit einem Trick aufgeschoben wird. »Die Menschen bekommen zum Beispiel bei Diabetes Medikamente für ein halbes Jahr mit und damit werden sie nicht mehr »sehenden Auges« in den Tod geschickt«, beschreibt sie ihre Erfahrung.


Zahnschmerzen oder Suizidversuch?

Aber nicht nur die macht es unwahrscheinlich, dass die etwa dreißig Personen in Bielefeld, die zur Abschiebung angemeldet sind, ein Bleiberecht erhalten. Rüdiger Schmidt, Leiter des Bürgeramts der Stadt Bielefeld, mag an den schlechten Gesundheitszustand der hier lebenden Ashkali nicht so recht glauben. »Das haben Sie im Bereich Abschiebungen immer wieder, dass die plötzlich krank werden«, erklärt er gegenüber dem WebWecker, beeilt sich aber zu versichern, dass er »nichts unterstellen« möchte. »Aber wenn Sie in Ihre Heimat abgeschoben werden sollen, haben Sie auch plötzlich Zahnschmerzen«, unterstreicht Schmidt seine Skepsis.

Laut Beate Niemeyer geht es jedoch beileibe nicht um Zahnschmerzen: »Ein junger Mann hat vor gut einer Woche einen Selbstmordversuch mit Tabletten unternommen«, berichtet sie. Der Twen sei schon länger psychisch labil, das könnten auch Gutachten bestätigen. »Er war wochenlang nicht ansprechbar, lag nur im Bett und hat die Wand angestarrt«, beschreibt sie die Verfassung des Mannes in den vergangenen Wochen. Davor sei er bereits in Bethel in Behandlung gewesen.

Der Mann wäre wohl ein humanitärer Härtefall. Solche Fälle sammelt zur Zeit der Bundestagsabgeordnete Dieter Wiefelspütz (SPD). Der kritisiert, dass es nach wie vor zu so genannten »Kettenduldungen« kommt, bei denen den Menschen immer nur für ein bis sechs Monate eine Duldung erhalten. Dieser Zustand, in dem die Betroffenen immer zwischen Hoffen und Bangen schwanken, sollte eigentlich durch das neue Zuwanderungsgesetz beendet werden. Es sieht vor, dass achtzehn Monaten Duldung eine Aufenthaltserlaubnis folgen muss. »Innenminister Behrens sagt aber, dass das nur gilt, wenn die Menschen nicht selbst verschuldet in Deutschland sind«, kritisiert Beate Niemeyer die Haltung Nordrhein-Westfalens. »Und er sagt, dass die selbst verschuldet hier sind, weil sie ausreisen hätten können«, so Niemeyer.