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Margaret Forster: »Ich warte darauf, dass etwas geschieht«, (Juni 2005)



Titel: Margaret Forster: »Ich warte darauf, dass etwas geschieht«

»Vater sagte, er habe seine Zweifel, ob ich eine geborene Tagebuchschreiberin sei. Er sagte, ich hätte keine Ausdauer und würde schon bald wieder damit aufhören. (...) Mein Tagebuch, dieses Tagebuch, soll nicht dazu da sein, dass ich ihm Geheimnisse erzähle. Warum mir Geheimnisse erzählen, wenn ich sie eh schon kenne, das ist lächerlich. Eigentlich verstehe ich nicht, warum ich überhaupt einen Grund dafür haben muß. Ich will es eben, und ich kann tun und lassen, was mir gefällt. Genauso wenig weiß ich, warum ich jeden Tag reinschreiben muß. Wenn ich keine Lust habe, tu ich´s nicht, und damit basta.«

Der Vater hat Unrecht, Millicent King, die Tagebuchschreiberin, die im Juli 1901 in England geboren wurde, beginnt mit 14 Jahren Tagbuch zu schreiben und hört mit 94 auf, als ihr das Schreiben zu schwer fällt. Am 13. Januar 2001 stirbt Millicent King. Sie hat das 20. Jahrhundert komplett durchlebt und ihre Gedanken, Eindrücke und Erlebnisse detailliert festgehalten, eine Chronik des vergangenen Jahrhunderts aus der Sicht einer ganz normalen Frau. Doch was heißt schon ganz normal oder gewöhnlich? Millicent selbst bereits 1914: »Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich, wenn ich groß bin, irgendwie komisch werde. (...) Ich möchte anders sein, ich weiß nicht, wie. Matilda (Anm.: ihre ältere Schwester) haßt es, anders zu sein Ich bin jetzt schon anders.«

Die britische Schriftstellerin Margaret Forster (»Ich glaub ich fahr in die Highlands«) beschreibt in ihren Romanen immer wieder aus weiblicher Sicht Frauen, oft mehrere Generationen von Frauen und die Familienstrukturen, in denen sie leben. Wie nicht anders zu erwarten, bearbeitet sie feinfühlig die Tagebücher Millicent Kings und veröffentlicht sie in der vorliegenden Form. Der Titel, „Ich warte darauf, daß etwas geschieht“ umschreibt Millicents Lebensmotto. Eigentlich ist sie beständig auf der Suche und versucht unter den gegebenen Umständen. Etwas aus ihrem Leben zu machen. Hauptziel ist die Selbständigkeit.

Sie geht zur Schule, macht eine Ausbildung zur Lehrerin, doch so richtig gefällt ihr der Job nicht. Lieber gibt sie Im schönen Italien Privatunterricht. Später schult sie zur Sozialarbeiterin um und fühlt sich endlich nützlich. Sie lernt Krankenwagen fahren, eine Fähigkeit, die sie im Zweiten Weltkrieg auf für Grossbritannien einsetzt. Sie lebt ein distanziertes, manchmal fast ablehnendes Verhältnis zur eigenen Familie, der sie es nicht recht machen kann, doch mildert der Lauf der Zeit einiges. Millicent verweigert sich den Ansprüche ihrer Zeit, verweigert die für sie vorgesehene Rolle.