Webwecker Bielefeld: jochem01

Arbeitslos, aber lustig (27.04.2005)



Ingmar Jochem ist heute Abend nicht freiwillig hier. Sein Fallmanager von der Arbeitsagentur Duisburg, Herr Protzke hat ihn geschickt. »Sie werden doch noch in der Lage sein vor linksintellektuellem Publikum einpaar geistreiche Witze erzählen zu können«, habe er gesagt. Schließlich sei Herr Jochem doch studierter »Kulturirgendwas«. Das Herr Jochem nicht so Recht weiß, ob er wirklich Lust hat, ist Herr Protzke egal. »Wenn sie da nichts hinfahren kriegen sie ruckzuck ihr Arbeitslosengeld II gestrichen«. Und so steht Jochem an einem sonnigen Freitag Abend auf der kleinen Bühne des Cafe Parlando.

Für das ewige, langweilige Sitzen auf den Fluren des Arbeitsamts hat Herr Jochem eine interessante Beschäftigung gefunden: Er ließt ein Buch. Aber nicht irgendeins sondern das ›Recht auf Faulheit‹ von Paul Lafrauge. Wenn ihm eine Stelle besonders gefällt, steht er auf und ließt sie laut vor. Das gefällt wiederum den umherhuschenden MitarbeiterInnen nicht so richtig.

Herr Jochem lässt sich von denen aber nicht mürbe machen. Er freut sich über die fürsorgliche Art von Herr Protzke, der ständig wissen will was Jochem so treibt und nicht treibt. Sogar während der Show ruft er ein paar Mal an und erkundigt sich nach den Bemühungen seines Schützlings. Auch über ein Bewerbungsgespräch im oberbayrischen Ödmiesbach oder über seine Erfahrungen als Call-Center-Agent kann Herr Jochem sehr anschaulich Auskunft geben.

Für neunzig Minuten Kabarett erzählt Herr Jochem, erhalte er bei einem Stundenlohn von einem Euro für seine gemeinnützige Arbeit 1,50 Euro. Aber auch für die ZuschauerInnen hat sich der Abend gelohnt. Wer schon Erfahrungen in einem Call-Center gesammelt hat, konnte in Herr Jochems Darstellung einer neoliberalen Pharsendresch-Maschine sicherlich Züge seiner damaligen Vorgesetzten erkennen. Den für viele oft quälenden Gang zur Arbeitsagentur konnte Herr Jochem mit seinem Humor vielleicht etwas erträglicher machen. Es gibt halt noch andere Dinge als den ›Totentanz um die Arbeit‹.



Mit dem Kabarettist Imgar Jochem sprach Karl Mosh über seine Kritik an Arbeit und das beängstigende an Realsatire:

WebWecker: Der Blick den Du in deiner Show auf das Thema Arbeit hast, ist relativ selten. Selbst im Kabarett geht es vielen Kritikern von Hartz IV um die fehlenden Arbeitsplätze. Dir geht es hingegen um den Mangel an Faulheit und um eine Kritik an dem modernen Arbeitsethos. Kommt eine solche Kritik auch von Deinen persönlichen Erfahrungen auf dem Arbeitsamt?

Ingmar Jochem: Ich habe zwei Zugänge zu dem Thema. Einmal einen theoretischen. Ich habe Sozialwissenschaften studiert und mich da mit solchen Fragen wie der Zukunft der Arbeitsgesellschaft auseinander gesetzt. Mir war da auch schon klar, dass das System wie es ist, keine Zukunft hat. Arbeit wird immer knapper und die Lösung kann nicht darin liegen die Arbeit zu intensivieren. Man muss sie anders verteilen. Im Moment lässt man die Leute sich um die wenige Arbeit prügeln. Der praktische Zugang zu Thema sind meine persönlichen Erfahrungen auf dem Arbeitsamt. Da gerät man in eine Maschinerie in der man als Person überhaupt nichts zählt. Es war schon am Ende meines Studiums absehbar das ich damit keine Stelle finden werde. Das Arbeitsamt verwaltet das aber gibt es nicht zu. Stattdessen übt sinnlosen Zwang und Druck aus. Ich will mit meinem Programm diesen Glauben an die Arbeit ein bisschen erschüttern.