Am vergangenen Montag wollten Mitglieder der Gruppe »Blaues Wunder« dem Vorstand der von Bodelschwinghschen Anstalten in Bethel einen Offenen Brief gegen die Schaffung von 1-Euro-Jobs übergeben. Die Leitung war aber nicht mehr im Haus, die Einrichtung sieht sich zudem zu Unrecht an den Pranger gestellt.Von Mario A. SarclettiKnapp zwei Dutzend Menschen und ein rot-grüner Drachen aus Pappmaschee demonstrierten anlässlich eines bundesweiten Aktionstages gegen Hartz IV am Montag vor der Verwaltung der von Bodelschwinghschen Anstalten in Bethel. Der Drachen trieb zwei »1-Euro-Jobber« an, die für ihn den Weg freimachen sollte, andere Teilnehmer verteilen einen Offenen Brief an den Vorstand der Anstalten. In dem Schreiben wurde der evangelischen Einrichtung vorgeworfen, die unter »Hartz IV« bekannte »Reform« des Arbeitmarktes zu unterstützen.
»Rücken krumm & Tasche leer Bethell wir danken sehr!«, ist auf einem Transparent zu lesen. »Das ist ein guter Slogan«, findet ein Passant. Überhaupt ist die Resonanz der Passanten positiv, die von der kleinen Gruppe von Demonstranten den Offenen Brief erhalten. Auch später, als der Drache mit furchterregendem Gebrüll durch die Flure der Bethel-Verwaltung tobt, sind die Mitarbeiter der Einrichtung recht entspannt, als ihnen der Offene Brief übergeben wird. Nur Dr. Rolf Engels, das einzige Vorstandsmitglied, das noch in der Vorstandsetage anzutreffen ist, ist ziemlich ungehalten über die Eindringlinge. »Hat Sie irgendjemand eingeladen in dieses Haus zu kommen?«, fragt er die Demonstranten und fordert sie auf, »politisieren zu gehen, aber nicht in meinem Büro«.
Ganz anders reagiert Martin Henke. Henke kennt den Offenen Brief, spricht mit den Demonstranten. Dass außer ihm kein Ansprechpartner mehr vor Ort ist, bedauert er. Der Vorstandsvorsitzende Schophaus hätte zu der für die Übergabe des Briefs angekündigten Zeit zur Verfügung gestanden, inzwischen aber das Haus verlassen. Den Vorwurf, dass »die neuen Arbeitsdienste im Rahmen der Hartz IV Gesetze« auch in Bethel Einzug hielten, so der Titel des Offenen Briefes, findet er ungerecht: »Da bin ich der Meinung, dass sie den Falschen an den Pranger stellen«, sagt er. Andere Wohlfahrtseinrichtungen würden sogar Anzeigen schalten, um 1-Euro-Jobber zu finden. »Wir setzen alles daran, da nicht vorzupreschen und das nicht zu bejubeln«, erklärt er die Linie der von Bodelschwinghschen Anstalten.
Die von den Demonstranten unterstellten 250 1-Euro-Jobs seien nicht vorgesehen. Vielmehr, so Henke, gebe es neben 100 Qualifizierungsmaßnahmen gerade einmal fünf Jobs dieser Art, die auch bewilligt seien, einer davon sei besetzt. Diese Jobs würden vor allem psychiatrischen Einrichtungen gewünscht, die ehemalige Patienten etwa durch Begleitung von aktuellen Patienten bei Wegen in die Stadt wieder an arbeitsähnliche Verhältnisse herangeführt werden sollten.
Die Zahl 250 sei laut Henke nie in der Überlegung gewesen, das sei nur die Zahl der nicht besetzten Stellen für Zivildienstleistende. Die sind aber auch ein Argument der Demonstranten. »Wer sich zum Beispiel die Entwicklung der Zivildienststellen vergegenwärtigt (die sollten auch mal lediglich »zusätzlich« sein), weiß, wie schnell sich das Attribut »zusätzlich« angesichts klammer Kassen in »unentbehrlich« wandelt«, heißt es in dem Offenen Brief von »Blaues Wunder«.
Denn Zusätzlichkeit ist eines der Kriterien, die für 1-Euro-Jobs gelten sollen. Das haben auch die von Bodelschwinghschen Anstalten im Oktober in ein Positionspapier zum Thema geschrieben. »Blaues Wunder« sieht aber die Gefahr, dass die 1-Euro-Jobs deshalb »zusätzlich« sind, weil vorher entsprechende Stellen gestrichen wurden. »Mit den Kürzungen staatlicher Mittel für den sozialen, kulturellen und Bildungsbereich, wird der Umfang und das Spektrum zusätzlicher Tätigkeiten immer mehr wachsen«, heißt es in dem Offenen Brief.