Webwecker Bielefeld: Dolmetsch

Die Frau, die zuviel wusste



Die Dolmetscherin

Von Harald Manninga

Sydney Pollacks neuer Film scheint erstmal aus gleich mehreren Gründen interessant. Erstens ist Die Dolmetscherin der erste seit sechs Jahren, bei dem Pollack wieder selbst Regie führt. Zweitens – und damit wird ja allenthalben rumgeblasen – ist dieser Film der erste, für den (wieder) im Gebäude der UN gedreht werden durfte. 1953 wars, da war das UN-Gebäude gerade fertig, als es die Kulisse für »The Glass Wall« abgab, ein heute (eigentlich) vergessener Film über einen Flüchtling, der in den USA nicht willkommen ist und bei den Vereinten Nationen Zuflucht sucht. Mit Anlauf dieses Films wurden die Türen des gläsernen UN-Turms für Filmteams dichtgemacht.


Wie es heißt, hat Sydney Pollack fast ein Jahr lang bei Kofi Annan Klinken putzen müssen, um ihn dazu zu bringen, die Versammlung und den Sicherheitsrat dazu zu bringen, die Filmaufnahmen zuzulassen. »Selbst« Alfred Hitchcock hat 1959 für »Der unsichtbare Dritte« keine Drehgenehmigung in jenem Hohen Hause gekriegt: Die ca. 10 Sekunden lange Sequenz, in der Cary Grant dort von Ferne zu sehen ist, wie er durch die Besucherhalle läuft, wurde mit versteckter Kamera gedreht. (Wie das bewerkstelligt wurde, kann man nahezu vergnüglich bei Truffaut nachlesen. Das Buch hat in der deutschen Version zwar einen recht dämlich-reißerischen Titel: »Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?«, sei aber dennoch bei dieser Gelegenheit nachdrücklich zur Lektüre empfohlen, nicht nur für Hitchcock-Fans! Die werden das nämlich eh kennen. Nein, auch andere Filmfreunde dürften daran Freude haben. Aber dies ist hier schließlich keine Buchbesprechung, und man muss sich als Kinogänger auch nicht unbedingt mit diesen ollen Kamellen beschäftigen.)


Silvia Broome ist Dolmetscherin bei den Vereinten Nationen und wird von Nicole Kidman gespielt. Durch einen Zufall bekommt sie mit, wie zwei Leute über einen Anschlag auf das despotische Oberhaupt des afrikanischen (klar: Fantasie-)Staats »Matobo« reden, das in Kürze für eine Rede vor der UN-Vollversammlung erwartet wird. Zuwanie heißt der Mann, und wie es der von den Drehbuchschreibern (gleich drei sinds) konstruierte Zufall so will, handelt es sich bei diesem Land um das, in dem Silvia selbst aufgewachsen ist, in dem sie außerdem in den Bürgerkriegswirren, die eben dieses Staatsoberhaupt an die Macht gebracht und da gehalten haben, den größten Teil ihrer Familie verloren hat. Zuwanie war die Hoffnung des Landes, und auch Silvia war einst eine Anhängerin dieses Mannes, bis er sich, wie das mit Befreiern eben öfters so geht, zum Diktator wandelte, als er erstmal an der Macht war.


Sie alarmiert die Sicherheitsbehörden, die ihr zunächst nicht glauben wollen. Denn z.B. ist das ja doch ein ziemlich dicker Zufall, dass ausgerechnet die einzige Person im Haus, die die obskure afrikanische Sprache beherrscht, in der die Verschwörer geredet haben, jenes Gespräch mit angehört haben sollte. Dennoch rollt die Sicherheitsmaschinerie an, geleitet von Secret-Service-Agent Tobin Keller (gespielt von Sean Penn). Der hinwiederum hat vor kurzer Zeit seine Frau verloren und ist eigentlich noch in Trauer. Und ungefähr von jetzt an wird es etwas viel an Geschichten und Hintergründen, die der Film entwirft und erzählt.


Macht das was? Immerhin: Pollack bleibt ganz in der »alten Schule«, die er ja sonst perfekt beherrscht und mit der er schon öfter gegen irgendwelche grad modernen Ströme geschwommen ist, und sich jetzt, in Zeiten des Crash-Boom-Bang, halt die nötige Zeit nimmt, die vielen Fäden und Motive, die in diesem Film vorkommen, so zu entwickeln und wieder zu verweben, dass dabei ein runder Film rauskommen kann.