»Silentium«Von Harald ManningaDie Kriminalromane von Wolf Haas sind sogenannter »Kult«. Das liegt an vielerlei, unter anderm bis vor allem an der Art und Weise, wie der Österreicher Haas mit der deutschen Sprache umgeht. Manche würden sicher behaupten, er malträtiert sie, denn im herkömmlichen Sinne literarisch oder auch nur im entsprechend gehobenen Stil geschrieben sind seine Krimis nu wirklich nicht. Tut schon mal Subjekt fehlen. Oder Prädikat weg. Sprache mehr so wie gesprochen, hin und wieder. Und dabei aber ausgesprochen mitreißend, dieser lakonische, trockene, in seiner hingerotzten Schlampigkeit nämlich scharf ausgearbeitete Plauderton. (Haas hat Linguistik studiert und war im früheren Leben Werbetexter, der weiß ganz genau, wie man Sprache einsetzen muss und kann, um »Wirkung« zu erzeugen.) Ein zweiter Grund für den Erfolg dieser Romane ist die Hauptfigur, der Ex-Polizist Brenner aus Graz, zu dem dieser Ton hervorragend passt, er ist nämlich wohl selber irgendwie schlampig in die Welt gerotzt worden. Ein würdiger deutschsprachiger (naja, annähernd, wir sind ja in Österreich) Bruder von Sam Spade und Philipp Marlowe, den klassischen Vorbildern des desillusionierten, abgebrühten Privatdetektivs, der eben einen Job macht, weil man von was leben muss, und den eigentlich nichts mehr überraschen kann.
Und dazu ist Brenner, der keinen Vornamen zu haben scheint, aber trotzdem Simon heißt, auch noch unglaublich komisch!
Jetzt hat Wolfgang Murnberger zum zweiten Mal einen Roman von Haas verfilmt. Man ist in Salzburg, da ist mal wieder Festspielzeit, und Brenner hat dort einen Job als Kaufhausdetektiv. Den er nach drei Tagen wieder los wird, weil er Konstanze Dornhelm, die Tochter des Festspielpräsidenten beim Höschenklauen erwischt, und das kann man ja nicht machen! Nicht in Österreich und schon gar nicht in Salzburg. Du lieber Herr Kommerzienrat, was für ein Land...
Ladendiebin Konstanze hat außerdem noch ein ganz anderes Problem: Tags zuvor ist ihr Mann von einer Klippe gefallen. Tot, klar. Sie quasi Witwe jetzt. Es heißt, er habe sich selbst von diesem Felsvorsprung oberhalb der Stadt geworfen. Er wäre nicht der Erste, der an dieser Stelle diesbezügich Erfolg gehabt hätte. Sie glaubt aber nicht daran. Ihr Mann war nämlich einst Klosterschüler am »Marianum«, einer Kaderschmiede für den gehobenen katholischen Nachwuchs. Und dort sei ihm der jetzige Erzbischof von Salzburg, der damals Lehrer an diesem Internat war, vor 25 Jahren in der Dusche an den kleinen Monsignore gegangen. Hat er behauptet und verbreitet, und das kann die Kirche natürlich nicht auf sich sitzen lassen.
Konstanze setzt den jetzt arbeitslosen Brenner auf diesen Fall an. Brenner recherchiert, zusammen mit seinem alten Kumpel Berti. Und die beiden betreten ein kompliziertes Flechtwerk von Intrigen, Verschleierungen, Seilschaften und was man sich so vorstellen kann. Alles auf kirchen- und profanpolitisch hoher und höchster Ebene, was natürlich ebenso hoch und höchst gefährlich ist. Denn außer irgendwelchen anrüchigen alten Geschichten aus der Knabenschule geht es auch noch um von dort aus gesteuerten Mädchenhandel.
Wie man aus so einer Konstellation, mit Kinderschändung, Prostitution, Vergewaltigung, Mord, Politfilz und Intrige einen dann doch auch komischen Film machen kann... Ohne dabei auch noch in die gängigen Klischees zu geraten! (Gell? Katholisches Knabeninstitut und priesterliche Lehrer, kennt man doch alles. Als der Film im letzten September in Österreich in die Kinos kam, war z.B. der Fall »St. Pölten« ganz frisch.) Ja, doch, irgendwie geht das. Hier kann man das sehen.