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Ein anderer Blick aufs System (20.04.2005)
Lea Laurent, Martin Dümmer und Tobias Muno: Auch wenns so aussieht, ihre Perspektive ist alles andere als verwackelt
Am 12. April organisierte eine Gruppe von KollegiatInnen am Oberstufenkolleg (OS) eine Besetzung in Form eines selbstorganisierten Unterrichtstags (WebWecker berichtete). Tobias Muno, Martin Dümmer und Lea Laurent sind im KollegiatInnen-Rat des Oberstufenkollegs und waren an der Planung beteiligt. Über ihre Probleme mit dem neuen OS und ihren Versuch wieder einen Diskurs über alternative Lernformen ins Leben zu rufen, sprach
Karl Mosh
mit ihnen.
WebWecker:
Am 12. April war die Besetzung des Oberstufenkolleg Bielefeld, in Gestalt eines selbstorganisierten Unterrichtstages. Wie beurteilt ihr diesen Tag im nachhinein? War es ein Erfolg?
Tobias:
Ich finde es schwierig zu sagen, ob es ein Erfolg war oder nicht. Die Besetzung war nur ein Anstoß zur Diskussion. Wir versuchen damit den Diskurs über das OS und über das Bildungssystem am Leben zu erhalten und damit auch Demokratie zu erhalten, die ja von Diskussion lebt. Die Mentalität des unhinterfragten Fressens hat sich aber auch am OS so weit verbreitet, dass wir erstmal versuchen müssen dieser Mentalität entgegen zu treten.
Auch wenn Leute zu uns sagen, dass was wir machen wäre Scheiße, haben wir schon was erreicht. Sie fangen dann an Gesicht zu zeigen und zu sagen: Ja ich bin konservativ und ich möchte mit der Peitsche unterrichtet werden; also ihre Meinung zu äußern. Die Aktion am Dienstag war für viele sicherlich ein Schock, weil ihnen nicht bewusst ist an was für einer Schule sie eigentlich sind. Wir haben versucht den KollegiatInnen für einen Tag einen anderen Blick auf das System zu ermöglichen, welches sie ansonsten immer als gegeben wahrnahmen. Um den Diskurs weiter zu führen werden wir Arbeitsgruppen gründen und es werden auch weitere kreative Aktionen folgen.
Ihr habt gerade vom System gesprochen, welches die Kollegiaten öfters hinterfragen sollten. Was meint ihr mit System?
Martin:
Wenn du an eine Schule gehst, kommst du in ein System. Du unterliegst einer Ordnung und verschiedenen Gesetzen, beispielsweise der Ausbildungs- und Prüfungsordung, kurz APO. Es gibt eine Grund-Ordnung (GO), darin ist festgelegt was das OS sein soll, welche Gremien es gibt, zu was es dienen soll und so weiter. In der APO gehts konkret darum, welche Leistungen erbracht werden sollen, um zu den Zielen der Grundordnung zu gelangen. Da ist heute am OS schon der erste Widerspruch. Die GO sieht vor, dass das OS zu einer Allgemeinen Hochschulreife führen soll und zu einem Vorstudium. In der neuen APO wird festgelegt, dass es um Studierfähigkeit gehen soll. Von einem Vorstudium steht da nichts.
Tobias:
Darüber hinaus legt die GO fest, dass am OS Alternativen zum Regelschulsystem erforscht werden sollen. In der neuen APO steht hingegen, dass der Rahmen des OS innerhalb des Regelschulsystems gesteckt werden soll. Das OS darf also nur noch innerhalb dieses Rahmens forschen und ist somit ein Sklave des Regelschulsystems geworden. Systeme lassen in sich selber keine Möglichkeit, sich selber zu widerlegen und natürlich ist es auch im Interesse der Befürworter des Regelsystems die Reformschule abzuschaffen weil sie versucht das Regelsystem ad absurdum zu führen. Schon seit der Gründung der Schule vor über dreißig Jahren wird diskutiert ob sie geschlossen werden soll oder nicht.
Es gehört aber auch zum Konzept der Reformpädagogik immer wieder zu hinterfragen, was man eigentlich gerade macht. Otto Herz hat es am 12. April ganz gut deutlich gemacht, dass es am OS von Anfang an darum ging, die Fähigkeit zur Kritik zu bilden. Am OS müssen wir das Regelsystem kritisieren und unser System.
Ein anderer Blick aufs System (Teil 2)
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