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Alexandre Oler, David Olere, »Vergessen oder Vergeben. Bilder aus der Todeszone« (Teil 2)



Die Häftlinge des Sonderkommandos lebten unter extremen existentiellem Druck, einige verloren den Willen zu überleben und starben, andere brachten sich um. Die meisten von ihnen hatten alle Hoffnung aufgegeben, viele wussten, dass sie die letzten Überlebenden ihrer Familien waren, hatten sie doch ihre Angehörigen aus der Gaskammer holen müssen. Anderen jedoch gelang es, den Willen zu überleben aufrechtzuerhalten, sei es durch das Gefühl der Verpflichtung gegenüber den Toten, Zeugnis ablegen zu müssen oder durch fatalistische Abstumpfung gegenüber ihrer Tätigkeit.

David Olere konnte das Sonderkommando überleben, da er für die SS durch sein Talent von besonderem Wert war. So wurde er gezwungen, als Maler und Zeichner für die SS zu arbeiten, er musste u.a. persönliche Briefe kunstvoll verzieren. Auf einem seiner Bilder ist er zu sehen, wie er einen Lampenschirm für einen SSler bearbeitet. Am 19. Januar 1945 wurde er mit anderen Häftlingen vor dem Heranrücken der Sowjetarmee auf den Todesmarsch geschickt und gelangte bis Ebensee in Österreich. Dort wurde er am 6.5. 1945 von den Amerikanern befreit.
Vielleicht litt auch David Olere an „einer Krankheit ohne Namen“, wie es der Überlebende Shlomo Venezia ausdrückt, der noch heute im Traum die verzweifelten Gesichter der Menschen in der Gaskammern sieht. Ohne das Zeugnis der Opfer wäre das Wissen über den Holocaust gering, die Täter leugnen oder ziehen das Schweigen vor. Als Zeuge wurde David Olere seinem Auftrag gerecht, als Maler blieb ihm trotz oder gerade wegen der Intensität seiner Bilder Anerkennung versagt.
David Olere starb im August 1985. Sein Sohn und seine Witwe setzen sein Lebenswerk fort, den Holocaust zu erinnern und vermachten 1995 das Werk David Olere an Holocaust Museen in Frankreich, Israel und den USA. Mit der Herausgabe des vorliegenden Bandes „Vergessen oder Vergeben“ von Alexandre Oler und David Olere ist ein eindrückliches historisches und künstlerisches Dokument nun auch im deutschsprachigem Raum zugänglich. Sicherlich ein Stück Aufarbeitung der Familiengeschichte, das den BetrachterInnen zu gute kommt: Alexandre Oler kommentiert die Bilder seines Vaters mit kurzen, eindringlichen Texten. „Fünfzig Jahre habe ich gebraucht, um den richtigen, ihm angemessenen Ton zu finden“, das ist ihm gelungen.

Alexandre Oler, David Olere, »Vergessen oder Vergeben. Bilder aus der Todeszone.« zuKlampen, 2004, 119 Seiten, Hardcover, 24 Euro

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