Webwecker Bielefeld: ehlert02

Im Dickicht selbstlernender Gesetze (Teil 2)



Gibt es im Moment viele Widersprüche?

Wir gehen anders vor. Ein Widerspruch dauert zu lange. Ein Widerspruch hat nämlich keine aufhebende Wirkung. Wenn jemand beispielsweise auf Grund von nicht verwertbarem Vermögen kein Alg-II bekommt, hat er zunächst kein Geld. Wir gehen in solchen Fällen über die Beschwerdebüros der Agentur für Arbeit. Das gilt nicht als Widerspruch. Dies ist übrigens auch der Grund, warum es Bielefeld weniger Widersprüche als beispielsweise in Paderborn gibt. Wir gehen mit den Betroffenen in die Beschwerdebüros oder schicken sie mit notwendigen Informationen dorthin. Dann wird das Alg-II meistens sofort korrigiert.

Es kam zum Beispiel ein Mann zu mir, der sollte nur 30 Euro erhalten. Ich habe das nachgerechnet. Die Rechnung war völlig falsch: Die Werbungskosten, die Fahrtkosten, die Absetzungen von den Versicherungen und die Freibeträge, alles war nicht drin. Eigentlich hätte er knapp 260 Euro erhalten müssen. Ich habe auf einer Din A-4 Seite alles durchgerechnet, er ist damit zur Beschwerdestelle gegangen. Es wurde an Ort und Stelle korrigiert. Beschwerdebüros gibt es auch in den Außenbezirken. Über einzelne Sachbearbeiter, die in den jeweiligen Bezirken zuständig sind, ermitteln wir, wo die Leute hingehen können, um sich zu beschweren. Oft ist aber leider so, dass man niemand antrifft.

Es gibt aber auch so haarsträubende Bescheide, dass wir einfach Widerspruch einlegen müssen. Ich habe heute einen Bescheid in den Händen gehalten, der nicht einmal mit einer Währung versehen war. Die schrieben einfach von 814, das hätten auch dänische Kronen sein können. Zudem war das Datum von 2004 angegeben, 2004 gab es aber noch gar kein Alg-II.


Wo liegen die Schwerpunkte bei den Widersprüchen beziehungsweise der Beschwerden?

Wenn erwachsene Hilfebedürftige mit Familienangehörigen in einer Haushaltsgemeinschaft wohnen, dann kommt Paragraph 9, Absatz 5, zum Tragen. Da vermutet die Agentur für Arbeit, dass diejenigen von ihren Verwandten unterstützt werden. Nun gibt es aber keine gesetzliche Vorschrift, durch die die Verwandten zur Unterstützung verpflichtet wären. Es reicht der Vermutungsparagraph aus, um den Leuten kein Geld auszahlen. Dieser Vermutungsparagraph ist aber widerlegbar, indem die verwandten Erwachsenen erklären, dass sie die Hilfebedürftigen nicht finanziell unterstützen. Diese Erklärungen werden aber von der Agentur für Arbeit ganz oft nicht angenommen, es erfolgen Ablehnungen. Wir haben es jetzt schon oft korrigieren können. In einigen Fällen wird es aber wohl bis zum Gericht gehen.

Ein weiterer Schwerpunkt: Das Einkommen des Angehörigen wird zu hoch angerechnet, weil die Freibeträge und Absetzungen nicht berücksichtigt werden. Das ist ein komplizierter Anrechnungsmodus.


Gibt es für Alg-II Empfänger überhaupt noch Urlaubsanspruch?

Ich habe das von der Agentur für Arbeit erfahren. Die Agentur nennt das Ganze ein ›selbstlernendes Gesetz‹. Am 6. Oktober 2004 hatte das selbstlernende Gesetz zur Ortsabwesenheit noch festgestellt, die Urlaubsregelung werde nach Paragraph 65 nicht erfasst. Vorschriften zur Erreichbarkeit gäbe es im Sozialgesetzbuch-II nicht. Inzwischen hat das Gesetz selbst gelernt. Am 3. Januar 2005 hieß es dann: ›Die Dauer der maximal möglichen Ortsabwesenheit ist einzelfallbezogen zu entscheiden. Im Regelfall sollen nur bis zu drei Wochen im Kalenderjahr genehmigt werden‹. Es wird also genauso gehandhabt wie beim Urlaub von Arbeitslosengeldbeziehern oder Arbeitslosenhilfebeziehern vor Jahresfrist: drei Wochen nach Absprachen mit dem ›Pap‹, das ist der sogenannte ›persönliche Ansprechpartner‹.