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Sophie Dannenberg: »Das bleiche Herz der Revolution.«



Titel: »Das bleiche Herz der Revolution.« „Bevor sie sich erhängte, schnürte Agathe Caspari das Paket. Sie saß im Wohnzimmer, vor ihr auf dem Tisch lagen Schere und Papier, Klebeband und Schnur. Wenn Agathe den Kopf hob, blickte sie in den Garten, das Fenster hatte die Größe einer Leinwand....Sie erinnerte sich, wie anfangs die Vögel gegen das Fenster schlugen und wie sie sterbend auf der Betonterrasse lagen, bis die Katze sie fand oder die Kinder, die versuchten, die Vögel zu retten. Sie legten sie in Schuhkartons und fischten Fliegen aus dem Pool als Futter und Medizin. Dann gab es Tränen und Begräbnisse unter den frisch gepflanzten Haselnusssträuchern, und schließlich kaufte Agathe die Schatten zum aufkleben, um weiteres Unglück abzuwenden. Jetzt schlug nur noch die Hitze an die Scheibe, aber der Granitfußboden hielt das Zimmer kühl“, so lauten die ersten Sätze in Sophie Dannenbergs Roman „Das bleiche Herz der Revolution“.

Kühl, fast sachlich beschreibt die Autorin, die 1971 geboren wurde und in Berlin lebt, den Selbstmord Agathe Casparis in ihrem Roman. Düster bleibt das Bild der verendenden Vögel beim Weiterlesen im Kopf, es scheint nur zwei Perspektiven zu geben und die sind gleichermaßen schlecht, denn sie führen unausweichlich in den Tod, entweder schnell und grausam oder schleichend langsam und dann vielleicht noch grausamer. Agathe Caspari zumindest entscheidet sich für einen schnellen Tod, was vielleicht wiederum positiv zu lesen ist. Agathe Caspari hinterläßt einen Mann, der es beim Wiederaufbau offensichtlich zu etwas gebracht hat, keinen Abschiedsbrief und vier Töchter. Bis dato kann mit Interesse gelesen werden, kann eine spannende und hintergründige Familiengeschichte erwartet werden. Doch dann kommt es anders: Kitty Caspari kommt ins Spiel, sie ist die Enkelin Agathes und eine der Hauptfiguren des Romans. Sophie Dannenberg beschreibt Kitty und das Leben mit ihren Eltern Kittys mehr äußert platt. Wenig differenziert werden Klischees und Vorurteile über die 68er Generation reproduziert bzw. ausgeschmückt. Nichts wird ausgespart, selbst die durchgeknallte Analytikerin, die das eigenwillige Kind brechen soll wird ausgespart. Kittys Eltern sollen 68er der ersten Stunde sein: sie leben, wie es sich gehört, zuerst in Berlin, später im Wendtland und muten ihren Kinder, insbesondere Kitty allerhand zu. Ihre angeblich freie und sozialistische Erziehung ist wenig kindgerecht und wird von Kitty als erniedrigend, demütigend und in jedem Fall autoritär erlebt. Der Tochter wird keine freie Entfaltung ihrer eigenen Persönlichkeiten gestatten, von Anfang an soll sie den Erwartungen ihrer revolutionären Eltern entsprechen, ärgerlich ist nur, dass dieses so fortschrittlich und abgeklärte Paar nur in Klischees denkt und handelt. Persönlich erfüllen sie in keinster Weise ihre Ansprüche an den neuen Menschen, denn eigentlich ist in der modernen Familie alles wie gehabt: die Ehefrau und Mutter sorgt für die Kinder, den Ehemann, ist also voll und ganz für die Reproduktionsarbeit zuständig und damit ständig überfordert, der Mann verdient außer Haus das Geld, am liebsten als Terroristenanwalt. Alles ist unverbindlich, dreckig, chaotisch und scheinbar aussichtslos. Sicherlich gibt es in diesem eher banalem Romanentwurf über die 68er einige richtige Kritikpunkte, z.B. bezüglich des Geschlechterverhältnisses, aber angesichts des platten Rundumschlags gehen die auch mit unter.