Wolfgang Benz: »Was ist Antisemitismus?« (Teil 2)
Im weiteren geht Benz auf die Politskandale um Möllemann und Hohmann, genauer auf letzteren ein. Benz wirft Hohmann wie Möllemann vor, gezielt und überlegt antisemitische Klischees und Halbwahrheiten für politische Botschaften instrumentalisiert zu haben, Hohmann biete ein Lehrstück für Entstehung und Selbstbestätigung des alltäglichen Antisemitismus.
Benz verortet den aktuellen Antisemitismus als Mittler zwischen der Mitte der Gesellschaft und dem rechten Rand. Laut herangezogener Statistik glaubt jeder vierte Deutsche an konfuse Weltverschwörungstheorien und vermute im übermäßigem Einfluss der JüdInnen auf Wirtschaft und Politik den Grund für diverse Missstände. Für Osteuropa stellt Benz eine noch gravierendere Zunahme des Antisemitismus fest, auch dort würden JüdInnen für die gegen sie gerichteten antisemitischen Angriffe selbst verantwortlich gemacht.
Zwar weist Benz die These vom ewigen Antisemiten zurück, in seiner Studie zeigt er allerdings ein sehr komplexes und umfassendes Gebilde antisemitischer Vorbehalte auf, es drängt sich der Gedanke eines Kontinuums auf, das kaum zu beeinflussen ist, ein deprimierendes Fazit nach der Lektüre. Sicherlich kann Benz bei seiner Antisemitismusdefinition, der zuerst und vor allem ein Symptom für Probleme der Mehrheitsgesellschaft sei, nur zugestimmt werden. Krisen innerhalb der Gesellschaft könnten ohne unmittelbaren Auslöser tradierte antisemitische Klischees reaktivieren. Die Fremdheit der Juden scheint die handlichste Formel zu sein, mit der Entfremdung der Gesellschaft fertig zu werden, zitiert Benz Adorno. Dazu müssen die Juden im Status von Fremden gehalten, also solche definiert werden, und das geschieht durch die Ausgrenzung im alltäglichen Antisemitismus, so Benz. Es bleibt die notwendige Frage, wie das grundsätzlich zu ändern ist.(rk)
Wolfgang Benz, »Was ist Antisemitismus?«, Verlag C.H. Beck, München 2004, 19,90 Euro
buch_eulenspiegel@gmx.de per Mail bestellen]