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Zweckdienliche Hinweise für soziale Bewegungen (10.11.04)





Felix Kolb: Der Erfolgsmaßstab sollte das Erreichte sein




Bei einer Veranstaltung im Bunker Ulmenwall am Sonntag skizzierte der Politologe Felix Kolb, welche Faktoren zum Erfolg einer sozialen Bewegung beitragen. Dass er sich am Tag X des Castor-Transports dabei häufig auf die Anti-Atombewegung bezog, verlieh seinem Vortrag besondere Aktualität. Eine besonders traurige, wie sich während der Public Domain herausstellte.




Von Mario A. Sarcletti

»1000 Tipps für eine gelungene Revolution«, versprach die Einladung des FoeBuD zur Public Domain 133 am vergangenen Sonntag im Bunker Ulmenwall. Das Versprechen konnte Felix Kolb, der erste Pressesprecher von Attac Deutschland, zwar nicht einlösen. Dafür gelang es ihm zweckdienliche Hinweise für soziale Bewegungen zu geben, wie eine erfolgreiche Strategie aussehen könnte. Kolb promoviert zum Thema, anhand konkreter Beispiele beleuchtete er Faktoren, die den Erfolg einer solchen Bewegung befördern könnten. Immer wieder tauchte die Bewegung gegen Hartz IV in dem gut strukturierten Vortrag auf. Passend zum Veranstalter FoeBud gab es auch Tipps für Menschen, die sich für Bürgerrechte im digitalen Zeitalter engagieren.

Das wichtigste Objekt der Untersuchungen Kolbs ist allerdings die Anti-Atombewegung in verschiedenen Ländern. Der aktuelle Castor-Transport verlieh dem Vortrag dabei besondere Aktualität. Dass in der Pause der Veranstaltung die Nachricht eintraf, dass ein Anti-Atomaktivist in Frankreich vom Castor-Zug überrollt wurde, sorgte für Betroffenheit unter den Anwesenden.

Auch wenn immer noch Castor-Transporte durchs Land rollen und der Ausstieg aus der Technik so langsam von statten geht, dass die Industrie unrentable Atomkraftwerke vorzeitig stilllegt: In der Bundesrepublik Deutschland war die Bewegung aus Sicht Kolbs ziemlich erfolgreich. »Man muss sich ansehen, wie viele geplante Anlagen nicht gebaut wurden«, sagt Kolb und belegt dies mit einer Grafik. Ein Drittel des Atomprogramms wurde danach in der BRD verhindert. »Der Erfolgsmaßstab sozialer Bewegungen darf nicht der Vergleich der Wirklichkeit mit dem Wünschenswerten sein, sondern ausschließlich das Erreichte«, lautet seine frustvorbeugende These.

In seiner Dissertation, an der Felix Kolb gerade arbeitet, geht er auf die Suche nach Gründen des Erfolgs einer Bewegung. »Um erfolgreich zu sein, braucht man Strategien«, hat er herausgefunden. Bei Strategien, die er vom Begriff der Taktik unterscheidet, die zeitlich und räumlich begrenzt sei, handle es sich um »situationsübergreifende erfolgsorientierte Ziel-Mittel-Umwelt-Kalküle«, zitiert Kolb den Parteienforscher Joachim Raschke.

Umwelt meint in diesem Fall den gesellschaftlichen Kontext einer sozialen Bewegung. Diese müsste analysieren, welche Gegner und Verbündete sie hat, empfiehlt Felix Kolb. Das bedeute im Fall der Proteste gegen Hartz IV, dass die Gewerkschaften als Verbündete unter einer rot-grünen Regierung nur bedingt taugen. Zum Kontext gehörten Faktoren, die nicht beeinflusst werden können, lautet eine weitere These. So sei der Ölpreis von Anti-Atomaktivisten nicht beeinflussbar, er beeinflusst aber die Stimmung in der Bevölkerung.

Auch die Verteilung von Atomanlagen in einem Land hat Auswirkungen auf den Erfolg der dortigen Anti-Atombewegung. »In Ländern wo AKWs mit der Gieskanne verteilt worden sind, gab es starke Bewegungen«, weiß Kolb. In Ländern, in denen die Anlagen an wenigen Standorten konzentriert sind, waren sie hingegen schwach. Wobei die Stärke der Bewegung auch kein Erfolgsgarant ist: In Frankreich ist die Anti-Atombewegung, gemessen an der Zahl der Proteste und lokalen Gruppen, stark, dennoch ist sie erfolglos. Die dänische oder norwegische Bewegung ist nur mittelstark, aber sehr erfolgreich, zeigen Kolbs Studien.