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Power durch die Mauer (06.10.2004)







Rund fünfhundert Menschen demonstrierten am Sonntag in Büren gegen die Abschiebehaftanstalt vor Ort. Die Bürener Bürger sahen skeptisch zu, die Polizei war etwas entspannter als bei vergangenen Demonstrationen an Deutschlands größtem Abschiebegefängnis in der Paderborner Provinz.

Von Mario A. Sarcletti

»Mit Power durch die Mauer, bis sie bricht«, ruft Frank Gockel, Sprecher des Bürener Vereins »Hilfe für Menschen in Abschiebehaft«, am Sonntag Mittag den etwa fünfhundert Demonstranten zu und gibt damit das Startsignal für die Demonstration an der Abschiebehaftanstalt Büren-Stöckerbusch. In diesem Jahr steht der Protest unter dem Motto »Gegen Abschiebemaschinerie und kapitalistische Verwertungslogik«. Für erstere ist Deutschlands größtes, ab 2005 Nordrhein-Westfalens zentrales, Abschiebegefängnis ein passendes Symbol. Die »kapitalistische Verwertungslogik« zeigt sich nach Meinung der Veranstalter der Demonstration unter anderem daran, dass verschiedene Unternehmen von den Gefangenen und der »schleichenden Privatisierung« des Gefängnisses profitieren.

Tatsächlich arbeiten in Büren neben den 65 Vollzugsbeamten 90 Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsunternehmens, auch die Versorgung der Gefangenen wurde privatisiert. Aber auch andere verdienen an den Häftlingen. Verschiedene Unternehmen vergeben Aufträge an die JVA. Da werden Einlegesohlen und Schrauben verpackt oder Schnellhefter sortiert. »Wer möchte, kann in Arbeitsbetrieben innerhalb der Anstalt arbeiten (Tätigkeiten nach Art der Heimarbeit)«, heißt das auf der Anstalts-Internetseite. »Hier sind 1 Euro Jobs schon Realität«, beschreibt Frank Gockel die Arbeitsbedingungen in der Justizvollzugsanstalt, die eigentlich keine ist. Denn die zur Zeit 250 Männer sind eingesperrt, obwohl sie entgegen der landläufigen Meinung keine Straftaten begangen haben. Das ist auch auf der Seite der Anstalt nachzulesen. Die bis zu 18-monatige Haft dient allein der Durchführung einer Verwaltungsmaßnahme, der Abschiebung.

»Power durch die Mauer« gibt es am Sonntag von beiden Seiten. Als bei der Demonstration für eine kurze Zeit Ruhe einkehrt, sind Pfiffe und Rufe hinter den Mauern des in einem Wald acht Kilometer außerhalb Bürens gelegenen Geländes zu hören. »Die Häftlinge reagieren eigentlich immer auf unsere Demonstration. Heute stand der Wind mal wieder so, dass wir sie hören konnten«, sagt Frank Gockel.

Die »Power durch die Mauer« von draußen drückt sich in Sprechchören und Solidaritätserklärungen aus, die in mehreren Sprachen, von Arabisch über Englisch bis Chinesisch, verlesen werden. »Wir wünschen euch viel Kraft und eine Zukunft in Freiheit«, rufen Redner den Gefangenen zu und fordern einen Stopp der Abschiebungen.


Hubschrauber bleiben aus

Die Forderung tragen sie später auch auf die Straßen der dreißig Kilometer von Paderborn entfernten Kleinstadt. Deren Bürger betrachten den Zug eher skeptisch, auch wenn sich einige der Einwohner ehrenamtlich um die Häftlinge kümmern. »Wer bezahlt denn das Spektakel hier«, keift eine aufgebrachte Bürgerin und beantwortet die Frage auch gleich selbst: »Wir, die arbeiten gehen«, empört sie sich. In dem Ort begleitet ein Polizeispalier den Zug. Das Spalier empfinden die Demonstranten ebenso als Provokation wie die Videoteams der Polizei und protestieren lautstark gegen die polizeilichen Maßnahmen.