Webwecker Bielefeld: begehrenno02

Rechtsamt sagt »No« zum zweiten Bürgerbegehren (Teil 2)



Für das Rechtsamt ist es unverständlich, wenn »Bürger per Bürgerbegehren bei einer städtischen Gesellschaft Kosten auslösen könnten, ohne sich Gedanken darüber machen zu müssen, wie diese Kosten ausgeglichen werden«. Mit der städtischen Gesellschaft ist die BBVG (›Bielefelder Beteiligungs- und Vermögensgesellschaft‹) gemeint, eine hundertprozentige Stadttochter, in die der Erlös aus dem Verkauf der Mehrheitsanteile an den Stadtwerken fließen würde. Das Rechtsamt zitiert in seiner Vorlage auch ein Gutachten von Professor D. Schmitt der Universität Duisburg-Essen. Der hat vorgerechnet, dass die Nicht-Ausübung der Put-Option für die Stadt Bielefeld zu einem Schaden knapp 100 bis über 110 Millionen Euro führe.

Diese Aussage des Gutachtens kontrastiert das Rechtsamt mit einer weiteren Aussage, die auf den Unterschriftenlisten des Bürgerbegehrens stand: »Eine Beteiligung an den Stadtwerken ist für die Stadt Bielefeld auch wirtschaftlicher als ein weiterer Verkauf von Anteilen«. Das Rechtsamt nun beruft sich auf die Stellungnahme von D. Schmitt und eine Stellungnahme der Stadtwerke vom 1. März 2004: Darin wird festgestellt, das der Wettbewerb auf dem Energiemarkt nicht nur Chancen, sondern auch Risiken beinhalte: »Ein Cent durch den Markt erforderlich Strompreissenkung bedeutet für unsere Unternehmensgruppe 25 Millionen Euro pro Jahr Ergebnisverschlechterung«.


»Begehren mit juristischer Argumentation ausgehebelt«

Die Initiative »Bielefeld Pro Nahverkehr«, die Grünen und die SPD halten die Argumentation des Rechtsamts für nicht plausibel. »Das Bürgerbegehren zu moBiel war in Ordnung, dieses nicht«, stellt Reinhard Wellenbrink, Sprecher der Initiative und Mitarbeiter des Betriebsrats der Stadtwerke, fest. »Ein Kostendeckungsvorschlag in dieser Höhe ist nicht üblich«, sagt er. Niemand könne die Entwicklung von Kosten und Gewinnen für die Zukunft vorhersagen. Werde dies verlangt, seien Bürgerbegehren gar nicht mehr möglich.

»Das Bürgerbegehren zum Erhalt der kommunalen Mehrheit bei den Stadtwerken Bielefeld soll mit einer juristischen Argumentation ausgehebelt werden«, ist sich Inge Schulze, grüne Oberbürgermeisterkandidatin, sicher. »Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass dem Rechtsamt bei der Klärung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens die politische Vorgabe gemacht wurde, Argumente für den Nachweis der Unzulässigkeit zu finden«.

Das Gutachten, mit dem D. Schmitt den entgangenen Gewinn bei Verzicht auf den Verkauf weiterer Anteile an den Stadtwerken Bielefeld begründet, stütze sich auf Spekulationen und Vorgänge bei den im Vergleich zu den Stadtwerken Bielefeld sehr unterschiedlichen Unternehmen. Die Stadtwerke Kiel und Aschaffenburg seien reine Verteilerunternehmen ohne eigenen Stromerzeugungsbereich. Das Gutachten vergleiche daher Äpfel mit Birnen.

Auch werde keine Gegenrechnung hinsichtlich der möglichen Einnahmeverluste, wenn die Stadtwerke Bielefeld zu 100 Prozent veräußert werden, angestellt. Oberbürgermeister David und die Mehrheit sollte sich nicht hinter Rechtsfragen und Gutachten verstecken, sondern den Menschen endlich »reinen Wein einschenken und sagen, was sie wollen«, fordert Schulze.