Anders liegt der Fall beim zweiten Bürgerbegehren der Initiative Pro Nahverkehr. Das Rechtsamt hat noch Prüfungsbedarf. Bis zur Sonderratssitzung am 26. August, bei der eigentlich um die Frage gehen soll, ob die Stadt das neue Arbeitslosengeld II selbst abwickelt oder die Betreuung der Agentur für Arbeit überlasst, will das Rechtsamt eine Verwaltungsvorlage erstellen. Dies verspricht der Rechtsdezernent Rainer Ludwig. Legt die Verwaltung dann eine Vorlage vor, müsse sich der Rat damit beschäftigen, da er »unverzüglich zu handeln hat«. Tut er dies nicht, könnte er rechtswidrig handeln. »Ich kann mir keine dauerhaft tragende Argumentation vorstellen«, erklärt Rechtsamtsleiter Regtmeier zu Gedankenspielen, die Ratsmehrheit könnte versuchen, die Behandlung des Begehrens deutlich nach hinten zu schieben.
Das Rechtsamt interessiert im Moment vor allem noch den Kostendeckungsvorschlag: Die Initiative hatte den BürgerInnen erklärt, der Verbleib von 50,1 Prozent Beteiligung an den Stadtwerken Bielefeld bedeute keinen wirtschaftlichen Verlust. Im Gegenteil, so sei ein ständiger Strom von Geld in die Stadtkasse gesichert. Das Rechtsamt prüft, denn im Vertrag mit den Stadtwerken Bremen ist eine sogenannte Put-Option vereinbart »zieht« die Stadt die Option, sind die Stadtwerke Bremen gezwungen, die 50,1 Prozent zu kaufen. Für einen einmaligen dreistelligen Millionenbetrag könnte die Stadt so ihre Mehrheit an den Stadtwerken verkaufen.
Das Rechtsamt steht nun vor der schwierigen Aufgabe, eine finanzielle Einschätzung zu liefern: Bedeutet der Verbleib der Mehrheitsanteile der Stadtwerke Bielefeld bei der Stadt ein Verlustgeschäft angesichts der Put-Option? Ein unsicheres Terrain, da dies juristisch kaum zu bewerten ist: Die Einschätzung muss sich auf Prognosen von Wirtschaftsfachleuten verlassen, die sich arbeiten sie seriös kaum auf eine Aussage festnageln lassen dürften. Zu unsicher ist die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung. Niemand kann definitiv sagen, wie viel Zinsen der Verkaufserlös bringen würde, wenn er angelegt werden würde. Niemand kann sagen, wie viel Gewinn die Stadtwerke in fünf Jahren machen.
Bei der Kritik von Seiten der Initiative Pro Nahverkehr, SPD und Grünen bleibt Rechtsdezernent Rainer Ludwig ganz cool: Die warfen der Verwaltung vor, die Behandlung der Begehren zu verschleppen. Sie wollen eine Behandlung im Rat unbedingt noch vor dem Kommunalwahlen am 26. September. »Es geht um viel Geld, da lasse ich mich nicht durch einen bestimmten Tag irritieren«, erklärt Rechtsdezernent Ludwig. Die Verwaltung habe sich nichts vorzuwerfen. Auch die Bezirksregierung in Detmold bestätigte inzwischen, dass bisher keine Verletzung des »Unverzüglichkeitsprinzips vorliege.
So wird die Uhr für das zweite Bürgerbegehren wohl ab dem 26. August laufen. Sollte die Verwaltung eine Vorlage machen, die die Zulässigkeit ablehnt und der Rat dem folgen, bliebe den Initiatoren noch der Klageweg dagegen vor ordentlichen Gerichten. Sollte die Verwaltung eine positive Vorlage formulieren, also die Zulässigkeit feststellen, hätte der Rat drei Monate Zeit, die Zulässigkeit ebenfalls festzustellen und das Thema zu behandeln. Tut er dies nicht, kommt es automatisch zu einem Bürgerentscheid. Die Zeitachsen sind in der Landesverordnung zur Durchführung eines Bürgerentscheids festgelegt. Eigentlich sind es sogar nur gut zwei Monate: Denn 25 Tage vor dem Bürgerentscheid müsste die Verwaltung alle BürgerInnen informieren, dass ein solcher Entscheid vor der Tür steht. Dann werden alle Wahlberechtigten zur Kabine gerufen.