Die SPD drängt ebenfalls auf die Behandlung der Begehren im Rat. Pit Clausen, Oberbürgermeister-Kandidat der SPD, hatte gesagt, die Verwaltung müsse die Stimmen »unverzüglich« prüfen, dies sei juristisch so festgelegt. »Unverzüglich« bedeute aber »ohne schuldhaftes Verzögern«.
Wichtiges Anliegen im Wahlkampf verheizt
Ein Kommentar von Manfred HornDer Streit um die Bürgerbegehren ist in vollem Gang. Oberbürgermeister Eberhard David, gleichzeitig auch Verwaltungschef, steht gut sichtbar auf der einen Seite und macht dabei keine sonderlich gute Figur. Auf der anderen Seite stehen SPD und Grüne, die eine schnelle Behandlung des Votums fordern.
In der Substanz geht es um zwei gewichtige Fragen: Soll die Stadt Mehrheitseigentümer an den Stadtwerken bleiben oder die 51 Prozent für circa 400 Millionen Euro verscherbeln? Und: Sollen die Verkehrsbetriebe moBiel »umgehängt« werden, wie es in so schaurigem Deutsch heißt? Dann würde moBiel zukünftig unter dem Dach der BBVG (Bielefelder Beteiligungs- und Vermögensgesellschaft) laufen. Und die Stadtwerke Bremen, mit 49 Prozent an den Stadtwerken Bielefeld beteiligt, würden in einem solchen Fall einmalig vertraglich garantierte 128 Millionen Euro an die Stadt Bielefeld zahlen, quasi als Belohnung dafür, dass man das Defizitgeschäft ÖPNV los ist.
In beiden Fällen gibt es gute Argumente dafür, alles so zu lassen wie es ist. Die Argumente sind hinlänglich bekannt und genannt, auf zwei Sätze gebracht: Der Verkauf beziehungsweise die »Umhängung« hätten nur kurzzeitige finanzielle Effekte für die Stadt, langfristig aber würde sie mit dem Status Quo besser fahren. Und: Die Versorgungssicherheit der BürgerInnen wäre beim Status Quo höher.
Doch das seriöse Thema ist längst Teil einer Inszenierung geworden, was dem Gewicht des Themas unwürdig ist. Den Initiatoren der Bürgerbegehren, innerhalb des Ratsspektrums SPD und Grüne, dürfte durchaus klar gewesen sein, dass eine Prüfung von insgesamt über 40.000 Unterschriften in drei Wochen seitens der Verwaltung ein schwieriges Unterfangen werden würde. Hätten die Bürgerbegehren einen Monat frührer stattgefunden, die Unterschriften wären entsprechend Ende Mai abgegeben worden. Dann hätte es wohl keine Probleme mit einer Behandlung zum Ratstermin 15. Juli gegeben. So aber war klar, dass auf David enormer Druck entstehen würde. Man kann durchaus unterstellen, dass dies auch so gewollt ist.
Denn es ist Kommunalwahlkampf-Zeit. Die SPD muss unbedingt punkten, will sie auch nur den Hauch einer Chance haben, in Bielefeld die Ratsmehrheit zu erlangen und den zukünftigen Oberbürgermeister zu stellen. Da kommt es nur recht, wenn man David vorwerfen kann, er missachte den Bürgerwillen. Doch genau das war wohl auch wahlkampfstrategisches Kalkül. Und wenn Pit Clausen, von Beruf Richter, fordert, die Stimmen seien »unverzüglich« zu prüfen, so weiß er es wohl gleichzeitig besser: Bis heute gibt es keine rechtskräftige Definition des Begriffes »unverzüglich«, in manchen juristischen Verfahren ist »unverzüglich«, so paradox dies auch scheinen mag, gleichbedeutend mit mehreren Jahren.
Oberbürgermeister David tut gut daran, das Prüfungsverfahren zügig abzuwickeln, allerdings ohne sich auf verbale Gefechte mit der Opposition einzulassen. Doch hat er seinen anfänglich souveränen Kurs schon verlassen, als er zwei Formulierungen der Bürgerbegehren in Frage stellte. David sollte von sich aus eine Sondersitzung des Rates noch vor den Kommunalwahlen vorschlagen. Damit könnte er zumindest Herr des Verfahrens bleiben und sich figürlich wieder verbessern. Nicht vermeiden ließe sich dann allerdings, dass die CDU noch vor den Wahlen Farbe bekennen müsste, was die Zukunft der Stadtwerke und von moBiel angeht.