Durch die Reform soll das Studium »inhaltlich und zeitlich flexibler werden«, nannte Ruth Seidl bei einer Podiumsdiskussion vor zwei Wochen ein weiteres Ziel der Umstrukturierung. Die Studierenden an der Bielefelder Universität erleben aber zum Teil genau das Gegenteil, wie sie bei der Veranstaltung Seidl erläuterten. Fest vorgegebene Stundenpläne prägen den Alltag. »Ich komme eigentlich zu nichts anderem mehr«, beschrieb eine Studentin da ihre Erfahrungen mit den neuen Studiengängen. Kein Wunder, sehen die Studienordnungen doch einen wöchentlichen »workload«, also Arbeitsaufwand, von vierzig Wochenstunden vor. »Das ist nicht viel, anderswo ist das noch mehr«, verweist Timmermann wieder auf den internationalen Vergleich. Viele Studierende finden es hingegen schon viel, da mehr als zwei Drittel von ihnen neben dem Studium jobben müssen. Wenn dann in Seminaren auch noch mehrere Klausuren geschrieben werden müssen, wird die Zeit knapp.
»Einige Fakultäten sind da über das Ziel hinausgeschossen«, gesteht Dieter Timmermann ein. »Ich glaube, dass wir da was lernen können«, fügt er hinzu. Dennoch findet auch er, dass das Studium jetzt flexibler ist. Seiner Meinung nach liegt die Flexibilisierung auch darin, dass die neue Studienstruktur neue Fächerkombinationen ermöglicht. So könne man den Master auch in einem anderen Fach machen, als dem, in dem man den Bachelorabschluss erworben hat. Zeitlich ergebe sich die Flexibilität durch weniger Präsenzzeiten. Die Erfahrung der Studierenden ist eine andere: Anwesenheitspflicht in Veranstaltungen führt oft dazu, dass sie nur von einer Veranstaltung in die nächste traben. »Da muss ein Umdenken der Professoren stattfinden, die glauben, sie müssen unbedingt vor den Studenten stehen, damit die was lernen«, beschreibt Timmermann das Bild, das so mancher Lehrende noch von Lernen hat. Der Rektor hingegen will mehr Selbststudium oder auch e-learning als Teil des Wissenserwerbs.
Ruth Seidl beschreibt, was sie unter zeitlicher Flexibilisierung versteht. »Da hat man nach nur sechs Semestern einen ersten Abschluss, geht in den Beruf, und macht später seinen Master«, erläutert sie ihre Vorstellungen. Der Prorektor für Forschung Norbert Seewald kann sich sogar vorstellen, dass Arbeitgeber das unterstützen. »Es wurde von Firmen angedacht, dass man einen Bachelor einstellt, er einige Zeit im Unternehmen arbeitet, von dem anschließend der Master finanziert wird«, sagt Seewald. Dieter Timmermann lobt an der gestuften Struktur, dass der Master auch Chancen für Menschen ohne Universitätsabschluss eröffnet. So könnten unter bestimmten Voraussetzungen auch Absolventen von Fachhochschulen einen universitären Master erwerben.
Noch ist nicht klar, welche Masterstudiengänge angeboten werden. Klar ist nur, dass die Lehrkapazität nicht ausreicht, um allen Bachelor-Absolventen einen Master zu ermöglichen. Quotierung oder Zulassungsbeschränkungen soll es jedoch nicht geben. Timmermann denkt eher an Umschichtungen der Lehrkapazitäten. »Wir müssen ja nicht für alle Fächer den Bachelor anbieten«, so der Rektor. Er kann sich zum Beispiel vorstellen, dass es Literaturwissenschaft nur als Master gibt. Eine Forschungsuniversität wie die in Bielefeld brauche eine ausreichende Zahl an Masterstudiengängen. »Wir können es uns nicht erlauben, nur eine Handvoll davon anzubieten«, so Timmermann.