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Studentische Friedensdemo (09.06.2004)



Aufgewühlt von den Folterbildern aus dem Irak riefen verschiedene studentische Initiativen zu einer Demonstration gegen Menschenrechtsverletzungen im »Anti-Terror-Krieg« auf. Aber nicht nur die USA waren dabei ein Thema.


Von Mario A. Sarcletti

Die ganze Woche über hatten die Organisatoren der Demonstration am Donnerstagabend in der Unihalle auf Großbildleinwand schockierende Dokumentationen über die Folterungen im Irak gezeigt. Viele Hochschulangehörige hatten die Filme gesehen, nur etwa einhundertfünfzig nahmen sich den Text des Aufrufs zu Herzen: »Lasst uns nicht zu den Menschen gehören, die von den Bildern der Folteropfer geschockt sind, sondern lasst uns zu den Menschen gehören, die etwas dagegen tun«, heißt es auf dem Flugblatt zur Demonstration.

Dass sie mit ihr nicht den Rücktritt von US-Verteidigungsminister Rumsfeld oder die Schließung des Gefangenenlagers Guantanamo Bay erreichen, ist den Demonstranten klar. »Vielleicht ist eine Demonstration nur ein Tropfen auf den heißen Stein, aber immerhin ein Tropfen«, steht auf einem Transparent. »Ich wollte den grausamen Bildern nicht einfach hilflos und tatenlos zusehen«, begründet eine Demonstrantin, warum sie sich an dem Zug vom Bahnhof zum Rathaus beteiligt.

Unter den Demonstranten sind viele junge Frauen in Weiß. »Wir haben vereinbart, dass wir uns als Zeichen des Friedens weiß kleiden«, erklärt eine Ordnerin. Sie trägt wie viele andere ein Kopftuch, der Anteil von Muslimen ist überdurchschnittlich hoch. Kein Wunder: Neben der amnesty-Hochschulgruppe und einigen im Studierendenparlament der Universität vertretenen Hochschulgruppen hat auch die Deutschsprachige Muslimische Studentenvereinigung zu der Demonstration aufgerufen.

Bei der geht es nicht nur um die Folter im Irak, die aufgrund ihrer Dokumentation durch die Folterknechte zum Thema wurde. »Ohne diese Bilder hätte die Weltöffentlichkeit weiter geschwiegen«, sagt Amid Rabieh, ehemals Sachbearbeiter des Referats für Internationalismus und Frieden des Allgemeinen Studierendenausschusses AStA der Universität. »Denn es wird weiterhin geschwiegen über die unmenschlichen Zustände der Gefangenen in Guantanamo Bay«, betont er. »Und es wird geschwiegen über die Folterungen in US-amerikanischen Gefängnissen«, klagt er.

Aber nicht nur die USA sind Zielscheibe des Protests in seinem Redebeitrag, er kritisiert auch Menschenrechtsverstöße in Deutschland. »Ein 30-jähriger Asylbewerber aus dem Sudan war Ende Mai 1999 während seiner Abschiebung vom Frankfurter Flughafen ums Leben gekommen«, erinnert Rabieh an den Fall von Aamir Ageeb, dem BGS-Beamte im Flugzeug solange den Oberkörper hinunterdrückten, bis er, Motorradhelm auf dem Kopf, erstickte. Bis heute wurde keiner der beteiligten Beamten verurteilt.

Rabieh spricht auch über die Diskussion über Folter in Deutschland im Zusammenhang mit der Entführung und Ermordung Jakob von Metzlers. »Gerade derartige Einzelfälle werden benutzt um grundsätzliche Bürgerrechte im Namen von Freiheit und Sicherheit aufzuheben«, sagt Rabieh.

Christian Leye, zu Zeiten des Krieges AStA-Referent für Internationalismus und Frieden, erinnert daran, wie sehr auch der »Anti-Terror-Krieg« zur Erosion der Menschenrechte führte. »So ist im Amnesty Jahresbericht 2004 nachzulesen, dass überall Anti-Terror-Gesetze erlassen werden, die die Menschenrechte einschränken«, weiß Leye. »In der Folge stieg die Zahl der Länder in denen gefoltert wird 2003 um 25 Prozent, und zwar von 106 auf 132«, berichtet er. Die aktuellen Bilder hätten ihn nicht besonders überrascht, so Leye: »Die Folterbilder, die uns heute so entsetzen, sind keine Verfehlungen im Anti-Terror-Krieg, sondern sie sind eine logische Konsequenz dieses Krieges«, erklärt Christian Leye. Die Mär vom sauberen Krieg ist eben genauso eine Lüge wie seine Begründung.