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Wie im 19. Jahrhundert (12.05.2004)



Seit Ende April hat der Allgemeine Studierendenausschuss AStA der Universität Bielefeld einen neuen Referenten für Hochschulpolitik. Neben der Auseinandersetzung mit den neuen Bachelor- und Masterstudiengängen und den damit verbundenen Problemen möchte Tim Pfeiffer, Student der Geschichtswissenschaft, vor allem die Tarifinitiative voranbringen. Über deren Hintergrund sprach mit ihm Mario A. Sarcletti

Webwecker: Was ist die Tarifinitiative?

Tim Pfeiffer: Die Tarifinitiative ist ein bundesweiter Zusammenschluss von Studierenden, ein Schwerpunkt davon liegt in Bielefeld. Wir setzen uns dafür ein, dass die studentischen Hilfskräfte, an der Uni Bielefeld sind das so um die Tausend, mittelfristig nach Tarifvertrag bezahlt werden. Bisher werden die unserer Ansicht nach zu gering entlohnt. 8,02 Euro ist nicht gerade viel und da hat sich seit elf Jahren nichts daran geändert. Außerdem ist das ein Höchstsatz, das heißt es darf nicht mehr gezahlt werden, weniger zu zahlen wäre möglich und wird in weiten Teilen auch gemacht. Die Tarifinitiative will erst einmal eine Lohnerhöhung nach dem Vorbild Berlin. Dort bekommen die Hilfskräfte 11 Euro, sie haben geregelte Urlaubszeiten und zwar nicht die gesetzliche Regelung von vier Wochen pro Jahr, sondern sie bekommen nach Tarif in Anlehnung an BAT dreißig Tage Urlaub im Jahr.

Berlin ist ja das einzige Bundeland, wo es einen Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte an den Unis und FHs gibt. Wie haben die Kollegen in Berlin es geschafft, dass sie den gekriegt haben?

Die Grundzüge gehen schon auf die Sechziger Jahre zurück. Damals gab es da ein Tutorenprogramm, da sind Leute auf Lebenszeit als Tutoren eingestellt worden. Anfang der Achtziger Jahre gab es dann einen Tutorenstreik. Da wurde dann dieser Tarifvertrag durchgesetzt. Der sieht so aus, dass die Stellen komplett ausgeschrieben werden, dass da also nicht gekungelt wird und der Prof sagt: Der gefällt mir, der kriegt die Stelle. Die Stellen werden auf mindestens vier Semester festgelegt, also nicht wie hier für drei Monate. Hier sieht es in der Realität ja meistens so aus, dass es heißt: Mal sehn, ob wir euch weiter finanzieren können. Hier werden die Studierenden also meist im Ungewissen gelassen. Es gibt in Berlin auch Kündigungsfristen, sechs Wochen zum Monatsende. Die Studierenden haben also eine gewisse Sicherheit und werden wirklich als Arbeitnehmer gesehen. Hier ist das nicht so.

Du hast ja gerade die Realität für studentische Hilfskräfte angesprochen. Kannst du das noch weiter ausführen, wie das so aussieht, wenn man keinen Tarifvertrag hat und praktisch Leibeigener eines Profs ist.

Leibeigener passt schon ganz gut. Es ist so, dass viele Studierende sich denken, ich will für den Prof was machen. Schließlich prüft der mich am Ende und deshalb möchte ich jetzt zur 25. Überstunde auch nicht Nein sagen. Oder wenn der sagt, das muss jetzt bis Montag fertig werden, dann arbeite ich eben das Wochenende durch. Dafür gibt es dann keine Zuschläge, wenn man krank ist, gibt es keine Lohnfortzahlung, sondern es wird einem angeraten die versäumten Stunden nachzuholen. Das sind teilweise Zustände wie im 19. Jahrhundert.

Warum haben studentische Hilfskräfte eigentlich keinen Tarifvertrag?

Anfang der 90er Jahre wurde ein Vertrag ausgehandelt, dann hat die Arbeitgeberseite aber kurzfristig beschlossen den nicht zu unterschreiben. Jetzt sind wir quasi im luftleeren Raum. Man hat diese Mindestansprüche, die gesetzlich geregelt sind, wie eben den Mindesturlaub. Natürlich ist es ungesetzlich, dass man Zeiten, in denen man krankgeschrieben ist, nacharbeiten muss. Aber in der Realität sieht es so aus: Wenn man das nicht macht, wird der Vertrag nicht verlängert. Und weil die meist nur über zwei, drei Monate gehen, ist man dann schnell arbeitslos und das will natürlich auch keiner.