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»Ich steh zwischen C & A« (Teil 2)




Wer zusammenhält, kommt mit wenig Platz aus

Die Teilnehmer haben einen Hauptschulabschluss. »Unsere Schüler wurden bereits zweimal selektiert«, sagt Föste. Nach der Grundschule wurden sie in die Hauptschule einsortiert und dort schafften dann keinen Qualifizierungsabschluss. Danach würden sie dann in die Schleife gehen, regelrecht »geparkt«, wie Föste meint. Eine Lehrstelle konnten sie nicht bekommen. So finden sie sich nun in einer schulischen Schleife mit schlechten Perspektiven. Denn nur fünf Prozent der Berufsgrundschüler des Berufskollegs finden anschließend einen Ausbildungsplatz.

Was brauche ich für die Zukunft? Durchsetzungsvermögen, Kommunikationsfähigkeit, Fachwissen oder Konfliktfähigkeit? Vier Möglichkeiten, durchbuchstabiert von A bis D. Vier Ecken des Raums sind entsprechend mit auf buntem Papier geschriebene Buchstaben markiert. Die Schüler sollen sich zuordnen. Die meisten ordnen sich beim C, beim Fachwissen ein. Andere bleiben im Raum ein, können sich nicht klar entscheiden: »Ich stehe zwischen C und A», sagt Sauma.


Wenn Spannungen, dann wegen Perspektivlosigkeit

Im Workshop erfahren die Schüler mehr über sich, ihre Eignungen, Schwächen und vor allem Stärken. Sie üben, als Team zu arbeiten. In den Klassen der Berufsgrundschule ist der Migrantenanteil hoch. Doch zwischen den Schülern unterschiedlicher Nationalitäten gibt es kaum Spannungen. Wenn es zu Gewalt kommt, dann liegt das an der Perspektivlosigkeit. Zwei Pädagogen leiten den Workshop an: »Neben Fachwissen sind eben auch Schlüsselqualifikationen wichtig«, sagt Achim Klatt von der Kulturwerkstatt. Dazu gehöre beispielsweise zu lernen, aktiv zuzuhören. Und mittels Kommunikation Konflikte auszuhalten und aufzulösen, ohne auf Gewalt zurückzugreifen.

Klatt arbeitet unter anderem mit dem TZI-Modell. Themen-Zentrierte Interaktion, entwickelt von der Kommunikationswissenschaftlerin Ruth Cohn, zielt auf ein Gleichgewicht zwischen dem Ich, der Gruppe und der Aufgabe unter Berücksichtigung der Umwelt. »Wir wollen, bevor es zu Eskalation und Gewalt kommt, auf einfacher Ebene eingreifen«, erklärt Klatt die Methode. Er und seine Kollegin arbeiten dabei mit sowohl mit praktischen Übungen wie auch mit Theorie. Sie stellen den Schülern Aufgaben: Wie sind sie zu lösen? Wo gibt es Probleme? Und: Wenn die Aufgabe nicht zu schaffen ist, liegt es an der Persönlichkeit, an der Gruppe, an äußeren Umständen?

In der Abschlussrunde waren sowohl Schüler als auch die beiden Klassenlehrer zufrieden: »Dieser Baustein passt perfekt«, findet die Lehrerin Deunert-Kumlehn. Ihrer Ansicht nach wäre ein solches Projekt für jede neue Klasse bereits nach vier Wochen sinnvoll, um als Gruppe zusammenzufinden. Indes, das Berufskolleg kann so etwas nicht finanzieren. Am zug-Projekt konnte das Kolleg nur teilnehmen, weil es unter anderem aus dem ›xenos‹-Programm der Bundesregierung finanziert wird. Für das Kolleg fallen so keine Kosten an.

Das Kolleg bemüht sich trotz knapper Gelder auf breiter Linie, die Jugendlichen auf das Leben vorzubereiten. »Die Schüler haben schon Disziplinprobleme, sind frustriert«, sagt Föstes Kollegin Gudrun Deunert-Kumlehn. Kennenlern- und Projektwochen gehören längst zum Programm, um den Schülern mehr Spaß am Lernen zu vermitteln. Gleichzeitig sehen die Lehrer fundamentale Schwächen: »Manche können nicht einmal richtig Deutsch schreiben«, sagt Deunert-Kumlehn. Und: Einige, die am Berufskolleg für Wirtschaft und Verwaltung gelandet sind, gehören gar nicht wirklich dort hin: »Denen merkt man gleich an: Eigentlich sind das Handwerker«, bemerkt Föste.