Nicht verbieten sondern fördern (31.03.2004)
Der ehemalige niedersächische SPD-Justizminster ist bundesweit buchbar. So kam Christian Pfeiffer, Professor der Rechtswissenschaften, im März nach Bielefeld und hielt einen viel beachteten Vortrag über die Medienverwahrlosung von Kindern und Jugendlichen. Kinder und Jugendliche würden zu viel Fernsehen schauen und vor dem PC herumhängen. Nach Pfeiffer verbringen Kinder und Jugendliche täglich vier Stunden mit Gewalt- und Sexfilmen, die im Fernsehen gezeigt werden. Derartig häufiger und langer TV-Konsum aber führe zu sittlicher Verwahrlosung und Verhaltensauffälligkeit. Pfeiffers Antwort ist einfach: Nehmt den Kindern Fernseher und Computer weg. Als ersten Schritt sollten derartige Geräte aus den Kinderzimmern entfernt werden. Als zweiten sollten die Eltern ihre Kinder an wirklich erfüllende Freizeitangebote heranführen, die allesamt nichts mit Medien zu tun haben.
Pfeiffer greife jedoch auf populistische Stereotypen zurück, wenn er eine Medienverwahrlosung behaupte und diese dann verantwortlich für Schulversagen und kriminelle Gewalt von Jugendlichen mache. Kritiker halten Pfeiffer weiter vor, er plädiere für ein Verbot, wo doch die Suche nach dem richtigen Umgang geboten sei. Hier kommt die Medienpädagogik ins Spiel, die sich grundsätzlich medienbejahend gründlich mit Form und Inhalt von Medien auseinandersetzt.
Der WebWecker sprach mit Kai-Uwe Hugger, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fakultät für Pädagogik der Universität Bielefeld. Er arbeitet im Fakultätsbereich Medienpädagogik und hat 2001 zum Thema »Medienpädagogik als vernetzende Profession. Zur Entwicklung eines Konzepts professionellen medienpädagogischen Handelns« promoviert. Das Interview führte
Manfred Horn.
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Hugger: Die Furcht vor Verwahrlosung durch Medien ist ein altes Muster
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WebWecker:
Christian Pfeiffer spricht mit Blick auf die 12 bis 17-jährigen Jugendlichen von Medienverwahrlosung, in der Freizeitbeschäftigung dominiere das Anschauen von Gewalt- und Actionfilmen. Teilen Sie seine Einschätzung?Hugger: Ich teile die Einschätzung nicht. Gerade bei Jungen haben Actionfilme sicher einen gewissen Stellenwert. Christian Pfeiffer geht aber von einem einfachen Wirkungszusammenhang aus. Er holt da etwas aus der Mottenkiste der Medienwirkungsforschung hervor: Medienprodukte wie Gewaltfilme wirken direkt auf Kinder und Jugendliche und erzeugen bei diesen Gewalt. Zwar nennt Pfeiffer auf der einen Seite mit Recht seriöse wissenschaftliche Ergebnisse, auf der anderen Seite interpretiert er die Forschungsergebnisse und stellt den Zusammenhang zwischen Verwahrlosung und Medienkonsum her. Genau dieser Zusammenhang ist aber nicht belegt. Diese Feinheiten, nämlich dass er sich mit seiner Interpretation auf unsichererem Terrain bewegt, werden in der Öffentlichkeit dann aber nicht mehr wahrgenommen.
Seine Argumentation scheint aber auf fruchtbaren Boden zu fallen.Es ist schon problematisch, dass Christian Pfeiffer eine gewisse Popularität mit seinen Thesen erreicht. Wer in die Geschichte der Medienpädagogik guckt, sieht da immer wieder ein bestimmtes Muster: Beispielsweise als um 1900 die ersten Lichtspielhäuser aufmachten und auch die ersten Kinder und Jugendlichen ins Kino gingen. Da gab es auch die Befürchtung, dass Kinder und Jugendliche verwahrlosen. Auch damals wurde die Forderung erhoben, Kinder und Jugendliche seien vor den Auswirkungen des Kinos zu schützen. Das sind aber sehr einfache Antworten, die die Komplexität des Aufwachsens gar nicht berücksichtigen.