Seit Ende der vergangenen Woche sind die Studiengebühren in Nordrhein-Westfalen für gut ein Viertel der 20.000 Studierenden der Universität Bielefeld greifbare Realität. Am Donnerstag begann das Studierendensekretariat damit, so genannten Langzeitstudierenden und Studierenden, die bereits über einen Hochschulabschluss verfügen, die Gebührenbescheide über 650 Euro zuzuschicken. Als Langzeitstudierende gelten diejenigen, die die Regelstudienzeit um mehr als das 1,5-fache überschritten haben, in den meisten Fächern werden sie ab dem 14.Semester zur Kasse gebeten. Neben den Studiengebühren fallen für sie für das kommende Sommersemester auch die Rückmeldegebühren in Höhe von 123,40 Euro an.
Je nach Fach sind bis zu 60 Prozent der Studierenden von den Gebühren betroffen. Nach den Erfahrungen aus anderen Bundesländern werden sich voraussichtlich etwa 2000 Studierende der Hochschule zum kommenden Semester nicht mehr zurückmelden. Das ist nicht nur für die Betroffenen ein Problem, sondern auch für die Institutionen, die sie mit ihrem Beitrag mitfinanzierten. Nicht nur der Allgemeine Studierendenausschuss AStA und seine Referate oder das Studentenwerk werden aufgrund geringerer Studierendenzahlen ab dem kommenden Sommersemester weniger Geld zur Verfügung haben, auch das Semesterticket könnte für die verbliebenen Studierenden teurer werden.
Der AStA-Vorsitzende Stefan Bröhl rät allen Betroffenen, Widerspruch gegen den Bescheid einzulegen. »Nur wenn der Widerspruch eingelegt wurde, erhält man die Gebühren zurück, wenn einer der Musterprozesse Erfolg hat, die die ASten an allen Verwaltungsgerichten im Land führen werden«, so Bröhl. Auf der Homepage der Studierendenvertretung (
www.asta-bielefeld.de ) kann ein Formular für den Widerspruch heruntergeladen werden. Die meisten Widersprüche werden sich vermutlich auf den Bruch des Vertrauensschutzes beziehen, da die Betroffenen ihr Studium begonnen und entsprechend geplant hatten, als Studiengebühren noch nicht in Sicht waren, sondern vielmehr von Politikern von SPD und Bündnis 90/Grüne abgelehnt wurden. Die haben die Gebühren im vergangenen Jahr beschlossen.
Alte Squaw mit gespaltener Zunge
Ein Kommentar von Mario A. Sarcletti»Das Studium bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss ... ist studiengebührenfrei«. So steht es im Hochschulrahmengesetz. Da steht aber auch: »In besonderen Fällen kann das Landesrecht Ausnahmen vorsehen.« Ausgerechnet die rot-grüne Landesregierung beschloss eine solche abweichende Regelung, im vergangenen Sommer verabschiedete die Koalition in Düsseldorf das Studienkonten- und finanzierungsgesetz, das die Einführung von Gebühren in Höhe von 650 Euro pro Semester für so genannte Langzeitstudierende bedeutete. Eine Ohrfeige für diejenigen, die den sozialdemokratischen Floskeln glaubten.
Die nächste Ohrfeige der »alten Dame SPD« für die Rüpel, die zu lange studieren, folgte Ende Januar, als in NRW die Gebührenbescheide verschickt wurden. Da kritisierte der bildungs- und forschungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Jörg Tauss kritisierte in einer Presseerklärung die Einführung von Studiengebühren durch die Schwesterpartei »Labour Party« in Großbritannien. »Ist das Tor zu Studiengebühren erst mal aufgestoßen, ist der Dammbruch vorprogrammiert«, bemerkt Tauss. Und verschweigt dabei, dass gerade durch die Einführung der Gebühren im rot-grün regierten NRW tatsächlich Dämme in der BRD gebrochen sind und immer lauter über allgemeine Studiengebühren nachgedacht wird. Oder hat Tauss in den vergangenen Jahren so intensiv nach Großbritannien gestarrt, dass er nicht mehr wahrnehmen konnte, was sich hierzulande tut?