Webwecker Bielefeld: direktdemo03

Direkt, aber bitte nicht zu sehr (Teil 3, Kommentar)



Politische Kommunikation als Warenverhältnis


Ein Kommentar von Manfred Horn



Direkte Demokratie, hört sich irgendwie gut an. Ist ja auch eine gute Sache, wenn BürgerInnen an den Parlamenten vorbei mal selbst was entscheiden können. Doch die praktischen Einschränkungen sind groß: Über Finanzfragen darf in NRW das Volk nicht direkt entscheiden, die Verfahren sind kompliziert und setzen eine hohe Mobilisierung von BürgerInnen voraus, damit es überhaupt zu einem Entscheid kommt.

Eine besondere Sache sind die Volksinitiativen: Aktuell sammelt ein Bündnis auch ein Bielefeld Unterschriften dafür, dass sich der Landtag nochmals mit den geplanten Kürzungen im Sozialbereich beschäftigen muss. Doch diese Initiativen sind eher eine Massenpetition, das Parlament muss noch mal darüber sprechen und hat damit seine Pflicht getan. In keinem Verhältnis stehen da Aufwand und Ergebnis: Der Aufwand ist organisatorisch groß, die Listen müssen in allen Rathäusern und Bezirksämtern eines Landes ausgelegt werden. Das Ergebnis ist lediglich eine Aussprache im Parlament.

Direkte Demokratie steht immer auch in Konkurrenz zur parlamentarischen Variante. Klar, es lässt sich feststellen, dass die Parlamentarier häufig entrückt sind von der Basis, vor allem aber von dem, was sie beziehungsweise die Parteien im Wahlkampf alles versprechen. Deutlich, dass es vor allem darum geht, die Regierung zu stellen, die Macht zu erlangen. Wahlkampfprogramme werden da schnell zu Schnee von gestern. Ein imperatives Mandat, dass die Wahl permanent an die Zustimmung der Bevölkerung zurückkoppelt, ein Modell also, bei dem ein Abgeordneter auch wieder abgewählt werden kann, ist graue Theorie. Dafür gibt es in der Bundesrepublik nicht einmal Ansätze von Praxis.

Weil dem so ist, sind Volks- und Bürgerbegehren grundsätzlich gute Instrumente, politische Korrekturen innerhalb einer Legislaturperiode vorzunehmen. Zu gerne verselbstständigt sich der politische Entscheiderapparat innerhalb von vier oder fünf Jahren. Effizienz wird hier aber erst erreicht, wenn die Instrumente dafür mit geringeren Hürden versehen werden.

Dann aber stellt sich noch eine andere, weit grundsätzlichere Frage: Sind die BürgerInnen überhaupt bereit für direkte Demokratie? Die setzt nämlich voraus, am politischen System auch partizipieren zu wollen. Das bedeutet, sich auszukennen, sich eine Meinung zu bilden. Eine offene Dialog- und Streitkultur ohne Tabus wäre hierzu notwendig. Die bestehende Mediokratie hilft hier nur wenig weiter: Die Talkshows suggerieren nur zu oft Faktisches, bieten eher rhetorische Darstellungsfläche für profilierungsorientierte PolitikerInnen. Öffentliche politische Kommunikation ist inzwischen ganz in einem Warenverhältnis gefangen. Als Hauptpreis winkt den politischen AkteurInnen eine weitere Beteiligung am Demokratiespiel. Dies aufzubrechen, würde eine politische Kultur bedeuten, die momentan – leider – weit und breit nicht in Sicht ist. Erst dann wären Volks- und Bürgerbegehren auch emanzipativ.



Die Untersuchung des Vereins ›Mehr Demokratie‹ im
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