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Kruse-Prozess vor Einstellung? (04.03.2003)



Am achten Prozesstag gegen die angeklagte Führung der Drogenberatung, den ehemaligen Polizeipräsidenten Horst Kruse sowie zwei Polizeidirektoren schlug der Vorsitzende Richter Dieter Fels am gestrigen Dienstag vor, das Verfahren einzustellen. Bis nächsten Dienstag können sich die Prozessbeteiligten überlegen, ob sie damit einverstanden sind



Von Mario A. Sarcletti

Der größte Saal des Bielefelder Landgerichts, in dem der Prozess gegen Piet Schuin, Michael Wiese und Wolfgang Rossel von der Drogenberatung sowie gegen Horst Kruse, Heinz Haubrock und Uwe Gebranzig von der Polizeiführung stattfindet, platzte gestern wieder aus allen Nähten. Unter denen, die in den Saal Einlass fanden, waren unter anderem die stellvertretende SPD-Landesvorsitzende Gabriele Behler, Britta Hasselmann, Landesvorstandssprecherin der Grünen, sowie der SPD-Landtagsabgeordnete Günther Garbrecht.

Der Grund für das große Interesse an diesem Prozesstag war die Ankündigung des Gerichts, eine Erklärung abgeben zu wollen. Zuvor hatte Richter Fels am vergangenen Donnerstag die Befragung eines Zeugen abgebrochen. Bei dem handelte es sich um Oberstaatsanwalt Steffen, den Leiter des für Drogendelikte zuständigen Dezernats, der in seinen Angaben von denen seiner Vorgesetzten, dem Leitenden Oberstaatsanwalt Schulze und dessen Stellvertreter Specht, abwich. So wies Steffen den Vorwurf zurück, er habe Aversionen gegen die Polizeiführung gehegt. Befremdlich dürfte dem Gericht erschienen sein, dass die Staatsanwaltschaft über Jahre von den Problemen in der Drogenberatung gewusst habe, jedoch weder dagegen vorgegangen noch die Polizeiführung über ihre Erkenntnisse informiert habe.

Mit dieser Untätigkeit begründete Richter Fels am Dienstag seine Einschätzung, dass das öffentliche Interesse an Strafverfolgung in dem Fall durch Geldzahlung beseitigt werden kann. Denn großes Interesse an der Strafverfolgung hat augenscheinlich auch die Staatsanwaltschaft ursprünglich nicht gehabt. Seit 1998 habe sie Anhaltspunkte für Handel und Konsum illegaler Drogen auf dem Gelände der Drogenberatung gehabt, sowie dafür, dass Sozialarbeiter von den Straftaten gewusst hätten, so Dieter Fels. Trotzdem habe man erst im Mai 2000 das Verfahren eröffnet. Die Akten lieferten nach Meinung des Vorsitzenden Richters auch keinen Hinweis darauf, dass Ermittlungen gegen die Polizeiführung geplant gewesen seien. »Warum hat man die dann nicht an die Seite genommen und gefragt: »Ist da was dran oder nicht««, fragte Dieter Fels in Richtung Staatsanwaltschaft.

Fels sieht nach Aktenlage auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Polizeiführung »sich bockbeinig gestellt hätte«, wenn sie auf das Problem hingewiesen worden wäre. Das zeige sich auch daran, dass die Polizeiführung sich im Dezember 2000 »quasi von einer Minute auf die andere« aus dem Konzept Naharyastraße vom Juli 1999 zurückgezogen habe. Zum Rückzug der Polizei hatte der Hinweis der Staatsanwaltschaft geführt, dass sie das Konzept, drogenabhängige Frauen am Bahnhof nur zu verfolgen, wenn diese sich beharrlich klischeehaft verhalten, nicht teilen würden. Mit dem Konzept sollte es den Frauen ermöglicht werden, das in der Naharyastraße stationierte Beratungsmobil der Aids-Hilfe aufzusuchen.

Dass kein öffentliches Interesse mehr an einer Strafverfolgung besteht, ist eine von fünf Bedingungen für die Einstellung eines Verfahrens. Eine weitere ist, dass es sich bei den vorgeworfenen Taten um Vergehen und nicht um Verbrechen handelt, die Mindeststrafe muss unter einem Jahr liegen, was bei den Vorwürfen in dem Prozess der Fall ist.