Webwecker Bielefeld: drogenprozessstur01

Verfahren gegen Mitarbeiter der Drogenberatung wird eingestellt (12.03.2003)



Am gestrigen neunten Verhandlungstag nahm der Prozess gegen die Leitung der Drogenberatung, den ehemaligen Polizeipräsidenten Horst Kurse sowie zwei Leitende Polizeidirektoren eine dramatische Wendung. Das Verfahren gegen Piet Schuin, Michael Wiese und Wolfgang Rossel wird eingestellt. Der Prozess gegen die Polizeiführung geht nach dem Willen der Staatsanwaltschaft Münster weiter.

Von Mario A. Sarcletti

Am gestrigen Dienstag begann der Aufsehen erregende um das Bielefelder Drogenkonzept mit Verspätung. Um 9 Uhr wurde der Beginn um 45 Minuten verschoben. Um 11 Uhr sollte es dann endlich losgehen, es dauerte aber bis kurz vor halbzwölf bis der Geschäftsführer der Drogenberatung, Piet Schuin, als letzter der Angeklagten mit energischem Schritt zu seinem Platz im Saal 1 des Landgerichts ging. Zu diesem Zeitpunkt war die Spannung im Gerichtssaal spürbar, auf den Zuschauerbänken waren immer wieder abfällige Bemerkungen über die Staatsanwälte zu hören.

»Die Staatsanwaltschaft läuft aus dem Ruder«, hatte ein Polizeibeamter auf dem Flur des Bielefelder Landgerichts über den Grund der Verzögerung spekuliert. Der Vorsitzende Richter Dieter Fels versuche den Staatsanwälten noch ins Gewissen zu reden, so die Vermutung. Dass der Prozessbeobachter damit wahrscheinlich Recht hatte, zeigte die Erklärung des Münsteraner Oberstaatsanwalts Georg Schrade, der die Anklage gegen den ehemaligen Polizeipräsidenten Kruse vertritt. Schrade lehnte als einziger der Prozessbeteiligten de Einstellung des Verfahrens gegen Horst Kruse sowie die Polizeidirektoren Heinz Haubrock und Uwe Gebranzig ab. Als Grund nannte Schrade »die uneinsichtige Haltung« der Angeklagten im Prozessverlauf.

Alle drei Angeklagten hatten an den vergangenen Prozesstagen das Konzept verteidigt, das das Vorgehen der Polizei gegen die drogenabhängigen Frauen regelt, die sich in der Naharyastraße aufhalten und dort auch der Beschaffungsprostitution nachgehen. Um diesen Frauen das Aufsuchen der mobilen Beratungsstelle der AIDS-Hilfe zu ermöglichen, sah das Konzept vor, dass gegen Prostitution differenziert vorzugehen sei. In dem Beratungsmobil unterstützen Streetworkerinnen die Drogenabhängigen in Gesundheitsfragen aber auch bei Übergriffen von Freiern. Die bloße Anwesenheit der Frauen sollte nach dem mit der Staatsanwaltschaft abgesprochenen Konzept keine Strafverfolgung nach sich ziehen. Es wurde im Dezember 2000 gekippt, als die Bielefelder Staatsanwaltschaft erklärte, dass es rechtlich nicht haltbar sei. Oberstaatsanwalt Schrade forderte in seiner Erklärung die Polizeiführung nochmals auf, sich einsichtig zu zeigen und zuzugeben, dass das Konzept falsch gewesen sei. Dann könne er einer Verfahrenseinstellung zustimmen.

In Wahrheit scheint es aber weniger ein pädagogischer Ansatz à la Schrade zu sein, der gegen eine Einstellung des Verfahrens sprach. Vielmehr dürfte es der Münsteraner Behörde darum zu gehen, das eigene Gesicht zu wahren. Der Münsteraner Oberstaatsanwalt Wolfgang Schweer, der gestern als Zuschauer den Prozess besuchte, verwies am Rande der Verhandlung auf die Anschuldigungen gegen seine Behörde, die im Laufe des Ermittlungsverfahrens erhoben wurden. Sie habe Aussagen von Zeugen erpresst, hieß es. Diese Anschuldigungen könne man jetzt nicht unter den Tisch fallen lassen, so Schweer. Die Frankfurter Rundschau verwies zudem darauf, dass die Staatsanwaltschaft, während sie gegen Kruse ermittelte, sich in einem Verfahren gegen drei mutmaßliche Mörder so viel Zeit gelassen hätte, dass diese aus der Untersuchungshaft entlassen werden mussten.