»Wirtschaftslobby hat sich durchgesetzt« (Teil 4)
Welche weiteren Möglichkeiten gibt es, den Haushalt perspektivisch zu konsolidieren?Nur ein Beispiel. Die Einsparpotenziale von 500.000 Euro pro Jahr bei Bezirksämtern und Bezirksvertretungen werden von den beiden großen Parteien blockiert. Es gibt aber weitere Bereiche. Die Stadt Bielefeld hat in der Verwaltung im Vergleich zu anderen Kommunen mehr MitarbeiterInnen pro Kopf der Bevölkerung. Deshalb muss der Personalbestand reduziert werden. Um Neueinstellungen vermeiden zu können, ist ein Personalentwicklungskonzepts notwendig. Die Einsparungen, die die Stadt Bielefeld bisher an Personal gemacht hat, sind unzureichend und haben das Potenzial, welches vorhanden ist, nicht ausgeschöpft. Immer wenn gesagt wird, dass bereits erheblich abgebaut wurde, darf man nicht vergessen, dass ein Teil des Personals in stadteigene Gesellschaften übergegangen ist. Es geht nicht darum, betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen. Der Rat muss politisch entscheiden, wie die Stadtverwaltung in zehn Jahren aussehen kann. Dann muss die Verwaltung ein Szenario zu entwickeln um diese Vorgabe umzusetzen. Wir werden immer abgespeist mit dem Argument, man könne einen Feuerwehrmann nicht in das Vergabeamt umsetzen. Ich finde diese Argumentation unseriös. Wir haben eine Menge an Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern, die sich in ein Spezialgebiet eingearbeitet haben, die es aber leisten können, sich in anderen Gebieten zu qualifizieren. Dies muss nicht von heute auf morgen passieren, aber in einem Zeitraum von fünf Jahren muss dies möglich sein. Davon haben wir leider schon drei bis vier Jahre verschlafen in dieser Stadt.
Wir sind dabei, in einem wahnsinnigen Umfang weitere Schulden anzuhäufen für eine in Zukunft kleiner werdenden Bevölkerung mit einer geringeren Zahl an Erwerbstätigen. Dies ist eine Hypothek, die niemand verantworten kann. Deshalb darf es keine Tabus geben, auch nicht im Bereich Kultur. Dezernent Rainer Ludwig sagt, mit Gütersloh sei eine Kooperation schwierig. Aber ich sehe nicht, dass er Anstrengungen unternimmt, mit Nachbarkommunen wie Gütersloh und Herford – vielleicht auch mit Detmold – die teure Theaterkultur auf breitere Füße zu stellen. Wenn von Seiten der Stadt Bielefeld kein regionales Modell entwickelt wird, stellt sich für mich die Frage, ob wir uns in Zukunft ein Dreisparten-Theater noch leisten können. So aufgabenkritisch muss man alle Bereiche der Stadt durchforsten und im Gesamtzusammenhang entscheiden, welche Angebote die Stadt nicht mehr bezahlen kann. Aber die Stadt entscheidet nur punktuell und schließt z.B. die Delius-Eisbahn. Wir nehmen den Jugendlichen damit ein Angebot weg, erwarten aber von ihnen, dass sie die Schulden, die das Theater erwirtschaftet, in ihrem weiteren Leben bezahlen. Diese Entscheidung ist jungen Menschen nicht zu vermitteln.
Offensichtlich gilt immer noch Konkurrenz statt Kooperation. Jede Stadt will die attraktivste sein. Um finanzkräftige Neubürger zu gewinnen, scheinen sogenannte weiche Standortfaktoren wie das Stadttheater höher bewertet zu werden als eine Eisbahn.Jugendliche und Kinder entscheiden heute mit, ob Eltern ihren Wohnort wechseln und für jungen Menschen ist Kinderfreundlichkeit einer Stadt auch Faktor für eine Entscheidung in einer Stadt zu bleiben. Insofern gehören Angebote für Kinder und Jugendliche genauso zu den weichen Standortfaktoren wie ein Theater. Ich finde es absurd, wenn man denkt, Gütersloh sei für eine Theaterkooperation zu weit entfernt. Aber für eine Kooperation müssen Modelle entwickelt werden. Ein Modell könnte zum Beispiel sein, wir behalten ein Dreisparten-Theater, aber die Sparte Sprechtheater wird in Gütersloh angesiedelt. Natürlich kann man keine Kooperation zwischen Bielefeld und Gütersloh erreichen, wenn Bielefeld alles behalten will und Gütersloh sich nur an den Kosten beteiligen soll.