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Eine Allee für die Opfer von Sobibor (29.10.2003)



Sobibor
Ein Teil der Aufständischen in Sobibor vom September 1943
















Eine kleine Gruppe reiste in der vergangenen Woche aus Ostwestfalen nach Sobibor in Polen, um den heute noch lebenden Überlebenden des nationalsozialistischen Vernichtungslagers Sobibor persönlich zu begegnen und das Projekt ›250.000 Leben – eine Allee für die Opfer von Sobibor‹ zu unterstützen.

Bei der Genkveranstaltung zum 60. Jahrestag des Häftlingsaufstandes waren
auch zwei der wenigen Überlebende des Vernichtungslagers Sobibor anwesend: Thomas Toivi Blatt, der heute in den USA lebt und Jules Schelvis aus den Niederlanden. Beide berichteten über ihre schmerzvollen Erfahrungen.
»Für uns, die Überlebenden ist es eine kaum zu bewältigende Aufgabe, die
Geschichte zu rekonstruieren. Fest steht, wenn wir nicht mehr da sind, dann kann niemand mehr erzählen, wie es wirklich war«, sagt Jules Schelvis, einer der letzten Überlebenden.

Am 60. Jahrestag des Häftlingsaufstandes in Sobibor wurde dieGedächtnisallee für die dort ermordeteten Menschen eingeweiht. Entlang des letzten Weges
der Menschen wurden Fichten gepflanzt und Steine mit Namen der Ermordeten
gelegt. Hinter der Anonymität von 250.000 in Sobibor ermordeteten Menschen, die meisten waren JüdInnen und Juden, verbergen sich viele einzene Lebensläufe, Schicksale, die dadurch sichtbar werden. Vorerst stellvertretend für alle dort ermordeteten Menschen aus Ostwestfalen wurden in der Gedächtnisalle drei Steine gesetzt: für Inge Dreyer, geboren am 9. November 1926 in Bielefeld; Hans Dreyer, 23. März 1929 in Bielefeld und für Frieda Hecht, geboren am 23. Juli1988 in Herford. Alle drei Personen wurden mit vielen anderen am 29. Mai 1943 in der Gaskammer von Sobibor ermordet.

250.000 Menschen wurden in Sobibor ermordet, ihre Asche liegt in Massengräbern verstreut auf dem Gelände. Sobibor ist neben Belzec und Treblinka eines der Vernichtungslager der ›Aktion Reinhard‹. Das war der Deckname der Nationalsozialisten für die Ermordung der europäischen Juden und JüdInnen im Generalgouvernement in Ostpolen.

Aus Anlaß des 60. Jahrestages des Häftlingsaufstandes vom 14. Oktober 1943
begann die Gedenkstätte Sobibor, das Bildungswerk ›Stanislaw Hantz‹ (Kassel) und die ›Stichting Sobibor‹ (Niederlande) eine Gedächtnisallee anzulegen. Entlang des letzten Weges von der Rampe bis ind die Gaskammer werden Bäume gepflanzt und Gedenksteine mit den Namen der Ermordeten gesetzt: So entstehe eine Allee für die Opfer von Sobibor. Seit vergangener Woche sind die ersten Steine gesetzt, weitere Steine können auf der Gedächtnisallee gesetzt werden. Geichzeitig wird ein Gedenkbuch angelegt, in dem die Namen und Biograhien der Ermordeten gesammelt werden. Bisher gibt es auf dem Gelände nur ein Mahnmal und ein kleines Museum. Das Lagergelände ist überwuchtert, es fehlt an Plänen, Wegen, Markierungen, die das Vernichtungslager kenntlich machen. Bislang fehlte jegliche offizielle Unterstützung der Gedenkstätte oder
Verantwortungsübernahme durch die Bundesrepublik. Die Gedächtnisallee ist ein erster Schritt, die Topographie des Vernichtungslagers deutlich zu machen; der letzte Weg von der Rampe in die Gaskammern wird so zu erkennen sein.

»Uns ist es wichtig, daß die Erinnerung an die Opfer nicht verloren geht, sie sollen nicht hinter anonymen Zahlen verschwunden bleiben», erklärte eine Teilnehmerin der Delegation aus Ostwestfalen. Ohne die Berichte der Überlebenden wäre das Wissen über den Nationalsozialismus sehr begrenzt, »unsere Großväter, Väter, Großmütter und Mütter zogen es vor zu schweigen«.