Webwecker Bielefeld: postmeisterprozess01

Kreativ aber kriminell? (29.10.2003)



Antifaschistische Initiativen haben es geschafft, dass das als Treffpunkt der rechtsextremen Szene geltende Lokal »Der Postmeister« am Kesselbrink schließen musste. Am Montag stehen zwei junge Antifaschisten wegen Landfriedensbruchs vor Gericht.



Von Robert Schwarz

Effektiv und kreativ waren die Proteste, die sich seit Januar dagegen richteten, dass die Gaststätte »Der Postmeister« am Kesselbrink rechtsextremen Kreisen als Treffpunkt diente. Vor allem dienstags traf sich dort seit mehr als zwei Jahren der bundesweit bekannte Neonazi Bernd Stehmann mit Angehörigen seiner »Freien Kameradschaft«, die im Verfassungschutzbericht unter dem Stichwort »Neonazis« geführt wird. Stehmann und Kameraden sahen den »Postmeister« als Ort »nationaler Jugendarbeit« an und versuchten Jugendliche aus dem rechtsextremen Umfeld für ihre Strukturen zu gewinnen. Das Lokal diente zum Informationsaustausch, nach Ansicht von antifaschistischen Initiativen wurden dort auch Propagandamaterialien wie CDs vertrieben.

Aufgrund von Protesten und Vorfällen rund um das Lokal kündigte der Verpächter, die Dortmunder Actienbrauerei, am 1. August den Pachtvertrag für die Gaststätte. Die Antifa-Initiativen hatten Demonstrationen, Radical Cheerleading, ein Klassik- und ein HipHop-Konzert organisiert. Bei dem Konzert im April hing an einem Haus gegenüber des Lokals ein Transparent mit der Aufschrift »Nazitreffpunkte angreifen – Postmeister dichtmachen«. Für die Bielefelder Polizei ist das nicht kreativ sondern kriminell. Polizeibeamte stürmten während des Konzerts eine Wohngemeinschaft in dem Gebäudekomplex, die Staatsschutzabteilung ermittelte wegen des Vorwurfs des Aufrufs zu Straftaten. Am Montag stehen deshalb zwei junge Männer vor Gericht, die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Landfriedensbruch vor.

Für die Antifa-AG der Universität Bielefeld ist das grober Unfug. »Das ist bei auch nur mittelmäßiger Kenntnis des allgemeinen Sprachgebrauchs natürlich völliger Blödsinn«, heißt es in einer Erklärung, die auch vom Allgemeinen Studierendenausschuss AStA unterstützt wird. Ein Blick in den Duden, Band 10 Bedeutungswörterbuch, führt denn auch als Bedeutung des Wortes »angreifen« »zu widerlegen suchen, heftig kritisieren« an. Als Beispiel ist hier nachzulesen: »Jemanden öffentlich angreifen«.

Das tut jetzt auch die Antifa-AG: »Nazi-Standpunkte & Staatsschutz« -Interessen angreifen« fordern die Studierenden und attackieren die Behörde: »Gerade der Bielefelder Staatsschutz muss sich fragen lassen, ob er sich nicht seinerseits durch seine monatelange Verharmlosungsstrategie der Unterstützung von Straftaten im Umfeld des Neonazitreffs »Postmeister« schuldig gemacht hat«, heißt es in der Erklärung. Eine solche Straftat ereignete sich im November vergangenen Jahres, als Unbekannte einen Migranten gegenüber des Lokals zusammenschlugen.

Dem Prozess am Montag könnten weitere folgen, denn das Transparent wurde auch bei einer Demonstration im Mai mitgeführt. Polizeibeamte versuchten deshalb den Protestmarsch zu verhindern. Erst als das Wort »angreifen« überklebt wurde, durften die Demonstranten los gehen, obwohl ein Redner klar machte, dass es metaphorisch gemeint sei. Nach dem Ende der Kundgebung griffen Beamte die des Transparenttragens Verdächtigten aus der Menge und stellten ihre Personalien fest.

Aus Protest gegen die ihrer Meinung nach »offensichtlich politisch motivierten Kriminalisierungsversuche« wollen antifaschistsiche Gruppen am kommenden Montag vor dem Gericht demonstrieren, Beginn der Kundgebung ist um 13.30 Uhr.