Webwecker Bielefeld: paech05

Die Zivilisierung der Neuen Weltordnung (Teil 5)



So vage und auch missverständlich sich seine Erklärung bezüglich der Berechtigung zur Selbstverteidigung auch lesen mag, wer aus ihr eine faktische Genehmigung der begonnenen Angriffe folgern will, kann aus ihr auf keinen Fall eine Ermächtigung für die weitere und zukünftige Kriegsführung herauszulesen. Dazu bedarf es auch formal mehr als nur einer Presseerklärung, ohne dass ein Beschluss vorliegt. Und Schweigen ist keine Zustimmung.


3. Das Selbstverteidigungsrecht
Da den USA alsbald klar wurde, dass sie eine Ermächtigung durch den Sicherheitsrat nicht erhalten würden, haben sie die zweite Ausnahme vom zwingenden Gewaltverbot in Anspruch genommen, das Recht zur individuellen Verteidigung gem. Art. 51 UN-Charta – einen der meistmissbrauchten Artikel der Charta.

Dieses ahnend, hatten die Vereinten Nationen 1945 genaue Voraussetzungen für das Selbstverteidigungsrecht normiert, um seinem Missbrauch vorzubeugen. Es muss sich um einen bewaffneten Angriff eines Staates handeln, der gegenwärtig ist, und die Verteidigungsmaßnahmen dürfen nur so lange dauern, bis der Sicherheitsrat selbst die erforderlichen Maßnahmen eingeleitet hat.

Die Schöpfer der UN-Charta haben die Zerstörung von Wohn- und Bürogebäuden mittels Passagiermaschinen zweifellos nicht als »bewaffneten Angriff« vorausgesehen. Wenn man aber weniger auf das Instrument als auf die Zerstörungswirkung abstellt und einen solchen Angriff bejaht, bleibt immer noch zweifelhaft, ob es sich um den Angriff eines Staates gehandelt hat. Ein Terroranschlag einzelner Personen, selbst wenn sie ein »Netzwerk« bilden, ist ein Verbrechen, welches vor einem Gericht geahndet werden müsste, wie es jedes nationale Strafrecht sowie das »Haager Übereinkommen zur Bekämpfung der widerrechtlichen Inbesitznahme von Luftfahrzeugen« vom 16. Dezember 1970 und das »Montrealer Übereinkommen zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt« vom 23. September 1971 vorsehen.

Als Angriff eines Staates könnten die Anschläge nur dann gewertet werden, wenn erstens klar wäre, dass Bin Laden den Auftrag erteilt hätte und zweitens er wiederum im Auftrag oder zumindest Einverständnis der Taliban gehandelt hätte. Außenminister Powell musste jedoch in einem Interview in der »New York Times« einräumen, dass es nicht einmal Indizien für die entscheidende Rolle Bin Ladens gäbe. Das von ihm angekündigte »White Paper« zu den Hintergründen und Beweisen des Terror-Netzwerkes ist bisher nicht erschienen. Auch hat der Sonderbeauftragte Taylor nach Aussagen westlicher Diplomaten auf der Sitzung des NATO-Rates keinerlei Beweise dafür vorgelegt, dass Bin Laden die Anschläge geplant oder angeordnet habe. Das von dem britischen Premier Blair veröffentlichte Material erhebt nach seinen eigenen Worten »nicht den Anspruch, eine ausreichende Grundlage für ein Gerichtsverfahren gegen Osama Bin Laden darzustellen« (Frankfurter Rundschau v. 9. Oktober 2001).