Zur Zivilisierung der Neuen Weltordnung
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Norman Paech: Krieg kann den Terrorismus nicht bannen
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Von Norman PaechDie Aufdringlichkeit des deutschen Bundeskanzlers, der US-amerikanischen Streitmacht ein Kontingent der Bundeswehr in Afghanistan aufzunötigen, ist aus militärischen Gründen nicht nachzuvollziehen. Eine derartige militärische Hilfe ist gut fünf Wochen nach Beginn der Bombardierungen trotz der Monstrosität und Beispiellosigkeit des Terroranschlages schlicht überflüssig, da nicht mehr notwendig. Es sind wohl eher innenpolitische wie auch geostrategische Gründe für diesen allmählich peinlichen Druck auf die US-Administration, endlich deutsche Truppen anzufordern. Diesen Gründen will ich hier nicht nachgehen, sondern mich vielmehr der Legitimation einer nicht minder gewalttätigen Reaktion zuwenden, der Frage also, inwiefern der militärische Angriff auf ein Land die adäquate Reaktion auf den individuellen Terror einer noch nicht identifizierbaren Tätergruppe sein kann.
1. Zur Rechtfertigung des Krieges
Beschwörungen von der »uneingeschränkten Solidarität« und dem »Beistand gegenüber dem Freund« dienen mehr dem emotionalen Unterfutter einer Begründung, die vornehmlich auf das zivilisatorische Gefälle zwischen Angreifern und Angegriffenen, den zu schützenden Standard der Freiheit und die Überlegenheit des demokratischen Gesellschaftsmodells weist. Die Symbolik der angegriffenen Objekte (World Trade Center, Pentagon und wahrscheinlich Weißes Haus) ist zu stark, als dass nicht die Botschaft des Anschlags auch ohne Bekennerschreiben begriffen wird. Der Angriff war nicht nur ein gewöhnliches Selbstmordkommando mit katastrophalen Folgen und der Verbreitung von Angst und Terror, sondern wird zutreffend als Angriff auf den Herrschaftsanspruch der »einzigen Weltmacht« (Z. Brzezinski) verstanden. Daher die Drohung mit permanentem Krieg und die Kreuzzugs-Anspielungen.
Doch auf dieser Ebene der Reaktion bedarf es anderer Rechtfertigungen als Vergeltung, Rache oder »Auge um Auge, Zahn um Zahn«. Als George W. Bush sen. im Herbst 1990 die Neue Weltordnung ausrief, sollte eines ihrer wichtigsten Elemente die rule of law, die »Rechtsstaatlichkeit« der internationalen Beziehungen sein. Und die damalige Außenministerin Madeleine Albright unterlies in keiner Grundsatzrede den mehrfachen Hinweis auf die rule of law. Wer die Welt ordnen will, darf das Recht nicht vernachlässigen. Spätestens seit dem ersten Versuch, den Frieden in der Welt mittels eines Kollektiven Sicherheitssystems auf der Basis des Rechts (Völkerbund) statt auf dem fragilen Machtgleichgewicht der großen Mächte aufzubauen, ist das Völkerrecht zur zentralen Legitimation für Krieg und Frieden geworden. Seitdem bedarf jeder Gang zu den Waffen eines genauen Nachweises seiner völkerrechtlichen Berechtigung.
Und so stützt auch die Bundesregierung ihren Antrag auf Einsatz bewaffneter Streitkräfte auf das Völkerrecht, u. zw. sowohl auf das Selbstverteidigungsrecht gem. Art. 51 UN-Charta als auch auf eine Ermächtigung durch den Sicherheitsrat, die sie in den zwei Resolutionen vom 12. und 28. September zu erkennen glaubt. Ferner bezieht sie sich auf die Beistandsverpflichtung des Art. 5 NATO-Vertrag als Bündnispartner der USA (Antrag der Bundesregierung v. 7. November 2001, Punkte 1, 2 und 3, BT-Drucksache 14/7296).