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Der irakischen Gesellschaft droht das Chaos



Nachdem Sieg der USA und verbündeter Staaten kehren Exil-Iraker in ihre Heimat zurück. Unter ihnen ist Ahmed Chalabi. Der Banker, der vor 45 Jahren mit Korruptionsvorwürfen im Nacken aus Jordanien fliehen musste, wurde noch während des Krieges Anfang April 2003 von den USA wieder in den Irak eingeflogen. Chalabi war Ende der achtziger Jahre für den Zusammenbruch der jordanischen Petra Bank verantwortlich und soll sich um 200 Millionen Dollar bereichert haben. Chalabi ist Chef des INC (Irakischer Nationalkongress). Die 1992 gegründete Exilorganisation verfügt über guten Kontakt zur US-Regierung und war lange Zeit für den CIA im Irak tätig. Der INC könnte in der Nachkriegsordnung eine bedeutende Rolle spielen. Im politischen Programm wird die Achtung der Menschenrechte versprochen und den Kurden im Nordirak eine Autonomie zugebilligt. Ökonomisch wird der INC sich an den USA orientieren, also eine Marktwirtschaft etablieren wollen, die den USA im wichtigen Ölsektor wahrscheinlich besondere Rechte einräumen würde. Die US-Regierung selbst hat sich noch nicht für Chalabi entschieden, man weiß, dass er ein unzuverlässiger Bündnispartner ist, der auf eigene Rechnung arbeitet. Pentagon und Vizepräsident Dick Cheney sind für Chalabi, das Außenministerium ist kritisch. In den letzten Jahren sollen innerhalb des INC mehrere Millionen Dollar spurlos verschwunden sein, mit denen die US-Regierung den INC fütterte.

Der INC ist im Irak selbst bisher bedeutungslos. An der sogenannten Londoner Konferenz im Dezember 2002, in der sich exil-irakische Organisationen auf eine gemeinsame Plattform einigten, nahmen neben dem INC auch die beiden kurdischen Parteien KDP und PUK teil. Sie kontrollieren die kurdischen Gebiete im Nordirak, sind allerdings auf den Schutz und die Unterstützung der UN beziehungsweise der US-Militärs angewiesen. In den vergangenen Jahren bekämpften sich PUK und KDP gegenseitig, außerdem ist die kurdische Region permanent von türkischen Streitkräften bedroht, die eine zu große Autonomie des Kurdengebiets verhindern sollen. Ebenfalls an der Londoner Konferenz nahmen die »Monarchisten« teil. Sie wollen die Reetablierung der Monarchie im Irak. 1958 wurde der letzte irakische König Faisal II getötet. Suspekt ist auch die sogenannte »Bewegung Freier Offiziere«. Ihr Führer ist Najib Al-Salhi. Er war Stabschef der ersten Panzergrenadierdivision des fünften Korps der irakischen Armee, bis er vor gut sieben Jahren desertierte. In Dänemark wird er wegen des Einsatzes von chemischen Waffen während des Irak-Iran-Krieges in den achtziger Jahren gesucht.

Obwohl ein großer Teil der exil-irakischen Organisationen im Dezember 2002 zusammensaß und sich auf ein gemeinsames Papier einigte, werden sich jetzt rasch die Differenzen zwischen den Gruppen aufzeigen. Ideologie wird dabei nur vordergründig eine Rolle spielen, in Wirklichkeit geht es den Organisationen wie INC, PUK, KDP, ehemaligen Militärs Husseins und den Monarchisten um ihre eigene Macht und Geld. Sie alle wollen möglichst alleine die Kompradorenbourgeoisie der US-Regierung darstellen. Wie sich in den Tagen nach der Eroberung Bagdads zeigte, sind es vor allem islamische Organisationen, die erste Hilfe anbieten und die Krankenhäuser reorganisieren. Eine starke Rolle islamischer Organisationen im zukünftigen Irak – eher als Opposition denn als Bündnispartner der USA – ist sehr wahrscheinlich.