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Der irakischen Gesellschaft droht das Chaos (Teil 2)



Etwa zwei Drittel der Bevölkerung gehören der schiitischen Glaubensrichtung des Islam an, rund ein Drittel sind Sunniten. So könnte, weil sich die säkularen Parteien schnell als korrupt herausstellen, den islamischen Kräften im neuen Irak eine Schlüsselrolle zukommen. Die USA werden versuchen, dieses zu verhindern. Dort hat man hat kein Interesse an einem zweiten Iran in der Region. Noch während des Krieges und nach der Einnahme der Stadt Nadschaf im schiitischen Südirak durch die Koalitionstruppen kehrte der moderate irakische Schiitenführer Abdel Madschid al-Choei nach zwölf Jahren aus dem Londoner Exil nach Nadschaf zurück. Sein inzwischen verstorbener Vater galt als einer der einflussreichsten Islamgelehrten im Irak. Doch auch Abdel Madschid al-Choi wurde Anfang April 2003, kurz nach seiner Rückkehr in den Irak, auf offener Straße erstochen. Dieses deutet darauf hin, dass im Irak nicht eine moderate, sondern eine radikale Lesart des Islam an Boden gewinnen könnte. Eine zentrale Position nimmt hier Ayatollah Mohammed Bakr Al-Hakim ein. Er ist der populärste schiitische Ayatollah im Irak, der soeben nach 23 Jahren iranischem Exil in den Irak zurückkehrte und die Organisation SCIRI (Oberster Rat der Islamischen Revolution im Irak) anführt. SCIRI nahm zwar an der Londoner Konferenz teil, geht aber bis heute auf deutliche Distanz zu den USA.











Drei Varianten, die garantiert nicht in eine Demokratie münden



Ein Kommentar von Manfred Horn


Alle drei Varianten verheißen nicht gutes: Die säkularen Parteien würden zwar eine funktionierende Regierung stellen können, sich aber vor allem selbst die Taschen mit Öl-Dollars füllen. Eine demokratische Entwicklung und eine Beteiligung der Bevölkerung an den immensen Einkünften aus den Ölgeschäften ist mit ihnen schwer vorstellbar. Eher schon, dass sich diese Clans, Organisationen und Parteien gegenseitig bekämpfen und der Sieger ein erneutes Regime nach dem Vorbild der alten Hussein-Diktatur im Irak errichtet. Die zweite Variante würde zu einem islamisch orientierten Irak führen, mit allen Nachteilen, die eine solche Gesellschaftsformation mit sich bringt: Hauptopfer wären hier die Frauen, die sich nach Jahrzehnten, in denen Religion offiziell kaum eine Rolle spielte, den islamischen Spielregeln unterordnen müssten.

Bliebe die dritte Variante: Eine US-Militärregierung. Hier deutet sich bereits während der Planung das Desaster an. Wenn die Neo-Konservativen in den USA sich durchsetzten und die Militärregierung sich aus Ex-CIA-Chefs – James Woolsey als solcher soll Informationsminister werden, ein Treppenwitz der Geschichte – und Shell-Managern zusammensetzt, die keinerlei Kenntnisse und Interesse an dem Aufbau zivilgesellschaftlicher Strukturen im Irak haben, wird sich die irakische Bevölkerung schnell an die Aggressionen der USA in den vergangenen zwölf Jahren erinnern. Mögen viele von ihnen auch keine Anhänger Husseins und der Baath-Partei gewesen sein, so haben sie doch erfahren, wie us-amerikanische Bomben und die Embargo-Politik der USA gewirkt haben. Ein Bürger- oder Partisanenkrieg gegen eine solche US-Regierung im Irak würde dann wohl nicht lange auf sich warten lassen. Deutlich zeigt sich in diesen Tagen am Kriegsende, dass es kein brauchbares Konzept für den Aufbau einer irakischen Gesellschaft gibt. Es kann sein, das die USA für ihre Idee nach dem Motto »Erst bomben, dann nachdenken« noch bezahlen müssen und die irakische Gesellschaft in einen blutigen Verteilungskrieg um Ressourcen stürzen. Und vielleicht erleben wir den Tag noch, an dem George W. Bush die UNO verzweifelt um Hilfe bittet. Es wäre ein bittere Anerkennung der Weltorganisation.




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