Generation Golfkrieg?
Der "Spiegel" identifiziert nach der Generation Golf, die Generation Golfkrieg und sieht durch die überproportionale Beteiligung von SchülerInnen an Antikriegsdemonstrationen eine neue Protestgeneration entstehen. Dieter Rucht, Protestforscher am WZB, widerlegt diesen Medienhype.Warum sich so viele SchülerInnen an Antikriegsdemonstrationen beteiligen, untersuchte Dieter Rucht vom
Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB)in einer
Studie an der 800 zufällig ausgewählte Befragte teilnahmen. SchülerInnenproteste, so Rucht, seien kein neues Phänomen, schon im ersten Golfkrieg 1991 beteiligten sich viele SchülerInnen an den Demonstrationen. Absolut sei aber bei den jetzigen Protesten die Beteiligung von SchülerInnen am höchsten: 34% der 14-19jährigen beteiligten sich nach eigenen Angaben an Demonstrationen und Protestkundgebungen im Vergleich zu 15 Prozent der Gesamtbevölkerung. Auch eine von Rucht organisierte Befragung von Teilnehmern der großen Berliner Anti-Kriegsdemonstration am 15. Februar habe einen überproportionalen Anteil der Altersgruppe unter 25 Jahren ergeben.
Was sind die Gründe für die Beteiligung der SchülerInnen? "Ein erster und wichtiger Faktor ist die im frühen Jugendalter besonders ausgeprägte Empfindlichkeit für Widersprüche zwischen Idealen und Wirklichkeit", meinte Rucht. Die Tatsache, dass Bush mit seinem Angriffskrieg internationales Völkerrecht verletze und die Mehrheit der Staatengemeinschaft missachte, treibe die Schüler auf die Straße. Außerdem sei die Kluft zwischen den Eltern der jetzigen SchülerInnengeneration, die in den 70er und 80er Jahren, also in der Zeit der neuen sozialen Bewegungen, aufgewachsen seien, geringer als zwischen der 68er-Generation und deren Kindern. Ein weiterer Grund ist das "Unbehagen gegenüber den etablierten Formen politischer Interessenvertretung in Gestalt hierarchischer Verbände und Parteien". Zudem böten die Proteste eine Abwechslung vom Schulalltag, die Demonstrationen "machen Spaß". Schließlich käme es durch die mediale Aufmerksamkeit zu einer Anerkennung durch die Öffentlichkeit.
Dass diese Beweggründe allerdings zu einer dauerhaften neuen sozialen Bewegung führen, bezweifelt Rucht. Die mediale Aufmerksamkeit lässt nach, es kommt zu Ermüdungserscheinungen der Protestierenden - "die Massenproteste lassen sich nicht auf Dauer stellen".Die Antikriegsproteste werden also vermutlich nicht zu einer neuen Friedensbewegung oder gar einer "Generation Golfkrieg" führen.
Aber, so ein anderes Fazit Ruchts, "geprägt durch die Erfahrung dieses Kriegs und seiner Hintergründe, geprägt auch durch die Erfahrung der Relativität von Medienperspektiven, werden diese Jugendlichen ihre politische Kritik weitertreiben. Damit bilden sie ein erhebliches Potenzial für eine politische Mobilisierung in thematisch verwandten Protestfeldern, nicht zuletzt der Globalisierungskritik."