Webwecker Bielefeld: Zukunft_Friedensbewegung

Dokumentation – Über den Irakkrieg hinaus: Nicht nur "Anti"-, sondern auch "Pro"-Bewegung



Zu den nächsten Schritten der Friedensbewegung

Entwurf für die Aktionskonferenz am 13. April 2003
Peter Strutynski (Bundesausschuss Friedensratschlag)
Originaldokument: www.uni-kassel.de/fb10/frieden/bewegung/aufgaben.html
(1) Kaum jemand bezweifelt, dass der Irakkrieg von den USA und Großbritannien militärisch "gewonnen" wird. Schon heute allerdings kann mit Sicherheit behauptet werden, dass der Angriffskrieg politisch in eine Niederlage der Aggressoren mündet und den Irak sowie die ganze Region nachhaltig destabilisieren wird.

(2) Die Friedensbewegung hat zu Recht all ihre Kräfte darauf konzentriert, den lange angekündigten und von langer Hand geplanten und vorbereiteten Krieg zu verhindern. Sie hat gleichzeitig immer angekündigt, dass ihr Widerstand auch dann weiter gehen wird, wenn sich der Krieg nicht verhindern lässt. Daraus ergibt sich eine große Verantwortung, der die Friedensbewegung mit der Fortsetzung vielfältiger Aktionen und der Entwicklung über den Krieg hinaus reichender strategischer Schwerpunkte gerecht werden muss.

(3) Mit der Großdemonstration in Berlin am 15. Februar 2003 ist die Friedensbewegung aus dem Schatten der 80er Jahre herausgetreten und hat sich als runderneuerte außerparlamentarische Kraft im politischen Kräftespiel der Bundesrepublik Respekt verschafft. Öffentlichkeit, Medien und Politik waren gleichermaßen beeindruckt von dieser großartigen Manifestation des Mehrheitswillens der Bevölkerung gegen den drohenden Krieg und für den Frieden. Diesen positiven Gesamteindruck gilt es zu bewahren - auch dadurch, dass man sich in der Lage zeigt, (quantitativ) nachlassenden Widerstand rechtzeitig zu erkennen und die Aktionsformen entsprechend auszuwählen.

(4) Die Friedensbewegung kann zur Zeit an einer relativ stabilen Antikriegs-Haltung und an partiellen kritischen Einsichten über die Hintergründe des Kriegskurses der USA anknüpfen. Neben der Aufrechterhaltung der - wohl dosierten - öffentlichen demonstrativen Präsenz der Friedensbewegung (Mahnwachen, Demos usw.) sollten verstärkt inhaltliche Informations- und Diskussionsangebote gemacht werden. Zu vertiefen sind insbesondere Fragen, die sich mit der spezifischen Interessenlage der USA und Europas befassen, die den Irak-Konflikt im Kontext imperialer Weltmachtstrategien betrachten, die deutsche Rolle im europäischen und transatlantischen Kräftespiel untersuchen, grundsätzlich nach der Rolle und Wirkungsweise der Institutionen der Vereinten Nationen und der Bindungskraft des Völkerrechts (einschließlich des Grundgesetzes der BRD) fragen und schließlich zivile Alternativen nicht-militärischer Prävention herausarbeiten.

(5) Die Bevölkerungsmehrheit gegen den Irakkrieg ist politisch natürlich nicht homogen. Gewiss haben auch viele Demonstranten in Berlin die Bundesregierung in ihrer Nein-Position unterstützen wollen. Insofern entsprach der "regierungsfreundliche" Teil der Schlusskundgebung der politischen Neigung eines mehr oder weniger großen Teils der Demonstranten. Nur: Auch sie gehen wesentlich weiter in ihrer Kritik an der Regierungspolitik und in ihren Forderungen an die Regierung, als die rot-grünen Parteiformationen es gern hätten. Überwiegend zustimmend reagieren die Menschen auf die Forderung, dass die Bundesregierung in der Irakfrage dem verbalen Nein auch die dazugehörigen Taten folgen lassen muss (also: Keine Überflugrechte, keine Militärtransporte! etc.). Dies muss die Friedensbewegung gerade jetzt verstärkt tun, weil dieser Punkt während des Krieges an praktischer Bedeutung gewonnen hat. Der vorliegende Unterschriften-Appell "Dem Krieg den Boden entziehen" (siehe Anlage) könnte ein gutes Hilfsmittel darstellen. Blockaden vor US-Einrichtungen und Demonstrationen im "politischen Machtzentrum" Berlin sind ebenfalls geeignet, die Forderungen zu popularisieren.