Dokumentation Über den Irakkrieg hinaus: Nicht nur "Anti"-, sondern auch "Pro"-Bewegung Teil 2
(6) Noch nie wurde außerdem so deutlich, dass die deutsche Friedensbewegung Teil einer weltweiten Bewegung gegen Krieg und neoliberale Globalisierung ist. Ohne auf weltweite Organisationsstrukturen zurückgreifen zu können, hat sich mittels Nutzung der modernen Kommunikationstechnologien eine nicht nur virtuelle "Internationale des Friedens" etabliert. In ihr wirken keine hierarchischen Organisationsprinzipien, sondern freiwillige Übereinkunft aufgrund ähnlich gelagerter Interessen und politischer Ziele. Friedensorganisationen sowie lokale und regionale Initiativen sollten künftig ihre internationalen Kontakte (egal wohin) ausbauen (Internet-Kommunikation, gegenseitige Besuche usw.).
(7) Erfahrungsgemäß lässt der Widerstand einer Bewegung nach, wenn ihr unmittelbares Ziel nicht erreicht wurde. Dies war der Fall nach der Stationierung der Atomraketen im November 1993, nach dem Beginn des Golfkriegs 1991 und nach dem Beginn des Afghanistan-Kriegs im Oktober 2001. Es ist generell schwer, einem solchen "Abschlaffen" der Bewegung vorzubeugen. Soweit der Grund dafür aber darin zu suchen ist, dass die Bewegung gegen den drohenden Irak-Krieg in erster Linie eine reine Anti-Bewegung war bzw. ist, könnte der Gefahr des Zurückfallens dadurch teilweise vorgebeugt werden, dass die Friedensbewegung ihre Alternativen zum Krieg deutlicher zum Ausdruck bringt, ihre Anti-Haltung (die muss natürlich bleiben!) also durch ein Pro ergänzt. Dieses Pro sollte konkrete politische Inhalte und Ziele formulieren. Dabei kann an den gegenwärtigen Irak-Konflikt angeknüpft werden.
(8) Beispiele könnten sein:
Das Ziel einer Beseitigung und Unschädlichmachung von Massenvernichtungswaffen und ihrer Trägersysteme sollte nicht nur für den Irak, sondern für alle Staaten geltend gemacht werden. Waffeninspekteure also auch in die USA, nach Großbritannien, Frankreich, Russland, China, selbstverstänndlich auch nach Deutschland! Rüstungsproduktion und Konversion sowie Rüstungsexporte müssen wieder Thema der Friedensbewegung werden.
Der Demilitarisierung des Irak muss die Abrüstung anderer Länder der Region folgen. Regionale Sicherheit im Nahen Osten wird langfristig nur auf der Basis gleichberechtigter Beziehungen zwischen strukturell angriffsunfähigen Staaten (einschließlich eines palästinensischen Staates) herzustellen sein. Die enge Verknüpfung des Irakkriegs mit dem Palästinenserproblem ist von der Friedensbewegung bisher nicht hinreichend beachtet worden. Das israelisch-palästinensische Problem bleibt aber eine Schlüsselfrage für die Zukunft des Nahen Ostens.
Ähnlich verhält es sich mit der Forderung, dem internationalen Recht mehr Geltung zu verschaffen. Das strikte Gewaltverbot der Charta der Vereinten Nationen und die universellen Menschenrechte müssen von allen Staaten respektiert werden. Es gilt, die völkerrechtlichen Standards und die Institutionen der VN gegen den Generalangriff von Seiten der USA zu verteidigen. Dabei bietet das Verhalten der Mehrheit der Mitglieder des UN-Sicherheitsrats in der Irakkriegsfrage einen hoffnungsvollen Anknüpfungspunkt. Mehr Widerständigkeit insbesondere der afrikanischen Regierungen gegen den massiven Druck der USA konnte in der Situation kaum erwartet werden.