Wie hoch ist die Kindersterblichkeit im Irak?Eines von acht Kindern stirbt, bevor es das fünfte Lebensjahr erreicht. Dass sind 5.000 Kinder pro Monat. Der Irak gehört inzwischen zu den ärmsten Ländern. 250 Menschen sterben täglich an den Folgen der Sanktionen. Ein Drittel der Kinder ist unterernährt.
Kann man dann davon sprechen, dass der Krieg bereits seit zwölf Jahren andauert?Dass kann man so bezeichnen. Die Sanktionen sind ein Kriegsmittel. Wir haben mit einer Vertreterin der Hilfsorganisation CARE eine britische Nichtregierungsorganisation gesprochen. Sie hat bis 1995 in Kurdistan, also im Nordirak, gearbeitet. Sie hatte dann davon gehört, dass es im Irak selber, vor allem in den dörflichen Gegenden, noch katastrophaler aussieht als in Kurdistan, weil dort die Wasserleitungen und Elektrizitätsleitungen zerbombt waren und infolge der Sanktionen, also der fehlenden Ersatzteile,nicht wieder instand gesetzt werden konnten. Dann hat sie sich entschlossen, mit CARE in den Irak zu gehen und war völlig schockiert. Im Gegensatz zu den kurdischen Gebieten, wo damals viele Hilfsorganisationen arbeiteten und wo das Land wieder ein bisschen Aufschwung bekommen hatte, war die Lage im Irak katastrophal. CARE hat sich in seiner Arbeit auf die Instandssetzung von Wasser- und Elektrizitätsleitungen, gerade im ländlichen Bereich, konzentriert. Darüber hinaus noch den Aufbau von Primary Health Centers, das sind Gesundheitszentren auf niedrigem Niveau, einzurichten.
Was ist denn ihre Forderung bezogen auf das Wirtschaftsembargo, es reformieren oder es abzuschaffen?Das Wirtschaftsembargo muß abgeschafft werden. Das bestehende Embargo wirkt bereits wie ein Krieg gegen das irkaische Volk. Das Waffenembargo und die Waffeninspektionen müssen weiterbestehen. Den Irak mit Hilfe von Waffeninspektionen abzurüsten, war und ist richtig.
Nach Expertenaussagen, zum Beispiel vom ehemaligen UN-Waffeninspekteur Scott Ritter, hatte der Irak bereits bis 1998 90 bis 95 Prozent abgerüstet. Es geht also um fünf Prozent, die noch abgerüstet werden müssen. So ist es doch kein Wunder dass bis jetzt kaum etwas Substanzielles gefunden worden ist. Der Grund dafür ist, dass die Inspekteure zwischen 1991 und 1998 hervorragend gearbeitet haben und auch die Inspekteure jetzt gut arbeiten.
Meine zweite wichtige Forderung ist, dass eine Konferenz, die alle Länder im Nahen Osten umfasst, eingerichtet wird, ähnlich des KSZE-Prozesses während des Ost-West-Konfliktes. Eine Konferenz, an der auch Israel, Jordanien, Syrien, Iran, Ägypten und Saudi-Arabien beteiligt sind und wo zunächst Abrüstung thematisiert wird. Auch in anderen umliegenden Ländern müssen ganz konkrete Schritte in Richtung Abrüstung getan werden. Israel beispielsweise hat 200 Atomwaffen in seinem kleinen Land stationiert. Das ist bedrohlich für die Nachbarn. Der Iran, dafür gibt es viele Hinweise, will Atomwaffen entwickeln. Waffen sind keine Lösung für die Notwendigkeit, dass dort Entwicklung stattfinden muss. Der gesamte Nahe Osten benötigt einen Prozess des Aufbaus von gegenseitigem Vertrauen, Abrüstung und Demokratie.
Angelika Claußen ist Ärztin für Psychatrie und Psychotherapie und arbeitet in Bielefeld in einer Gemeinschaftspraxis. Seit 1987 ist sie Mitglied des IPPNW (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs, Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.), seit 1999 Vorsitzende der deutschen IPPNW-Sektion. <a href="http://www.ippnw.de">http://www.ippnw.de