»Einzige Katastrophe« (15.10.2003)
Claudia Baitinger vom BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz) nimmt Stellung zu den geplanten Experimentierklauseln einer Modellregion OWL: Umweltschutzbestimmungen würden ausgehebelt, Entscheidungen von höheren Ebenen auf seilschaftsanfällige niedrige Ebenen verlagertVon Manfred HornDer Regionalgruppe Detmold des BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz) fordert, dass die Interessen der Bevölkerung nicht wirtschaftlichen Belangen zum Opfer fallen dürfen. Die Modellregion OWL lehnt der BUND ab, weil »Gesetze und Verordnungen zum Schutz der Umwelt und der Schwächeren in der Gesellschaft außer Kraft gesetzt werden«.
Der BUND teilt die grundsätzliche Kritik, die auch schon andere Organisationen wie ver.di geäußert haben: Eine Modell-Region OWL in ihrer geplanten Form hebele die Demokratie aus. Besonderes Augenmerk legt der BUND auf umweltpolitische Aspekte. Hier seien die 35 Vorschläge der OWL-Marketing (
WebWecker berichtete) ein weiterer Schritt zur Deregulierung, wie Claudia Baitinger, Sprecherin des Landesarbeitskreies ›Abfall‹ des BUND dem WebWecker sagte. Die Tendenz sei schon seit Jahren eindeutig: Zuständigkeiten würden nach unten, also auf die kommunale Ebene verlagert. »Dabei sind die weiter oben angesiedelten Behörden viel unabhängiger«, ergänzt Baitinger. Auf unterer Ebene gebe es Seilschaften, die Gesetze umgehen würden, ohne dass die Öffentlichkeit dies in der Regel mitbekomme. Und: Die Verlagerung auf untere Ebenen bedeute massiven Arbeitsplatzabbau auf oberen Ebenen, zum Beispiel bei der Landesanstalt für Ökolologie, Bodenordnung und Forsten (LÖBF).
Eine weitere Tendenz stellt Baitinger fest: Die Öffentlichkeit werde aus Genehmigungsverfahren zunehmend ausgeschlossen. Bereits vor zehn Jahren ist das Bundesimmissionsschutz-Gesetz neu geregelt: Statt öffentlicher Beteiligung entscheiden seitdem ausschließlich Fachgremien. Nach §60 des Bundesnaturschutz-Gesetzes ist es zur Zeit noch so, dass bestimmte ehrenamtliche Umweltverbände zu ökologischen Aspekten beispielsweise von Bau-Genehmigungen gehört werden. Dazu zählt auch der BUND. Der Abbau von öffentlicher Beteiligung, wie er auch im von der OWL-Marketing vorgeschlagenen Paket vorgesehen ist, diene dabei nur angeblich der Beschleunigung von Verfahren. »Wir arbeiten ehrenamtlich in Fristen von vierzehn Tagen«, stellt Baitinger fest. Und: »Wenn sich Dinge verzögern, dann weil Investorenunterlagen nicht vollständig sind«. In Wirklichkeit wolle man aber einen Unternehmerstaat etablieren.
Die Vorschläge der OWL-Marketing würden in die gleiche Richtung weisen, kritisiert Baitinger. Dort würden Umweltschutzbestimmungen ausgehebelt: »Dabei haben wir die in den 1980er Jahren erkämpft, um Menschen vor Risiken zu schützen«. Sie nennt einige konkrete Beispiele: Der Vorschlag Nr. 3 der OWL-Marketing Liste beinhaltet die Genehmigungspflichtigkeit der Einleitung von Kondensat aus Brennwertheizungen. Der Vorschlag für die Modellregion ist nun, hier »insbesondere bei Kesselanlagen in Wohnhäusern (unabhängig von deren Größe«) eine Genehmigungsfreistellung zu erteilen, weil «von einer ausreichenden Verdünnung und Neutralisation der genannten Kondensate über die Laugen im häuslichen Abwasser auszugehen sei«. Kondensat ist giftiger Sondermüll. Baitinger weist besonders auf das Wort »insbesondere« im Vorschlag-Text der OWL-Marketing hin: Hier werde ein Türöffner geschaffen, um später auch die Genehmigungspflicht weitergehend als nur bei Wohnhäusern zu kippen.