Webwecker Bielefeld: studienkonten01

Studienkonten sind an der Realität vorbei (27.08.2003)



Der Entwurf der Verordnung zum Studienkontenfinanzierungsgesetz (StKFG) stößt in der Universität Bielefeld auf massive Kritik. Die Verordnung soll die Erhebung von Studiengebühren für ein Zweitstudium regeln, auch so genannte Langzeitstudierende sollen zahlen. Sowohl Rektorat als auch Studierendenvertreter beanstanden Inhalt wie Entstehung des Entwurfes.



Von Mario A. Sarcletti

Die Jurastudentinnen Verena und Jasmin sitzen im Raum des Allgemeinen Studierendenausschusses AStA und löchern dessen Vorsitzenden Stefan Bröhl mit Fragen zu dem so genannten Studienkontenmodell, das ab April 2004 Geld in den nordrhein-westfälischen Haushalt spülen soll. Beide haben ihr Studium 1996 begonnen, beide haben aus persönlichen Gründen zwei Jahre mit dem Studium ausgesetzt. Doch während Verena sich für ihre zwei Jahre Spanienaufenthalt exmatrikulierte, blieb Jasmin in der Zeit an der Uni eingeschrieben. Die Folge ist, dass die eine ab dem kommenden Semester 650 Euro bezahlen muss, wenn sie noch ihren Abschluss machen will, die andere nicht.

»Das ist doch eine Frechheit«, empört sich Jasmin, »wenn ich das damals geahnt hätte, hätte ich mich auch exmatrikuliert. Das können die doch nicht machen«, schimpft sie. Können sie doch. Auch wenn der AStA diese Verletzung des Vertrauensschutzes in einer Stellungnahme an das Ministerium kritisiert. »Die Studierenden, die ein erstes Studium absolvieren, das nach dem Hochschulrahmengesetz gebührenfrei ermöglicht werden soll, können ihre Vergangenheit nicht ändern«, heißt es in dem Schreiben.

Tatsächlich hat die rot-grüne Bundesregierung die Gebührenfreiheit, wie bereits lange versprochen, im August 2002 in das Gesetz hineingeschrieben. »Das Studium bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss ... ist gebührenfrei«, bestimmt Paragraph 27 des Gesetzes. Die rot-grüne Landesregierung nutzt allerdings den nächsten Satz, um die leeren Kassen zu füllen: »In besonderen Fällen kann das Landesrecht Ausnahmen vorsehen.« Die besonderen Fälle in diesem Fall sind die Studierenden, die die Regelstudienzeit um das 1,5-fache überschritten haben, in den meisten Fällen schnappt die Gebührenfalle ab dem 14. Semester zu.

»Die Regelstudienzeit geht aber völlig an der Realität vorbei«, weiß Stefan Bröhl. Tatsächlich schlossen im vergangenen Jahr an der Universität Bielefeld im Schnitt nur zehn bis zwanzig Prozent der Absolventen ihr Studium in der Regelstudienzeit ab, gar nur einer von 37 Biologen hielt diese Vorgabe ein. Aber nicht nur bezüglich der Regelstudienzeit kritisiert der AStA, dass »Gesetz wie Rechtsverordnung die Studienrealität bewusst außer acht lassen beziehungsweise den klar definierten Willen offenbaren, möglichst schnell Einnahmen in Form von Gebühren zu erzielen. Die sozialen Folgen werden fahrlässig hingenommen.« So gehe die Begrenzung des möglichen »Bonusguthabens« von vier Semestern bei Krankheit oder Behinderung an der Realität behinderter Studierender vorbei und ist nach Ansicht des AStA auch »nicht legitim, da im Studienkontengesetz keinerlei Begrenzung verankert wurde.«

Diese Diskrepanz zwischen Gesetz und Verordnung moniert auch das Rektorat. So werden in dem Entwurf ausländische Studierende zur Kasse gebeten, die in ihrer Heimat bereits einen Abschluss erworben haben (WebWecker berichtete) . Im Gesetz ist dies noch nicht vorgesehen, da sich die Hochschulen gegen des Landes erfolgreich gegen eine solche Regelung gewehrt hatten. Es erscheine zweifelhaft, ob diese Regelung mit dem Willen des Gesetzgebers vereinbar sei, heißt es in einer Stellungnahme des Rektorats an das Ministerium, die dem Webwecker vorliegt. In der versucht die Hochschulleitung noch zu retten, was zu retten ist: »Ungeachtet dieser rechtlichen Bedenken wird auch aus inhaltlichen Gründen (Stichwort: Internationalisierung) gebeten, von der Regelung abzusehen.«