Sprache als Instrument der Profilierung (04.06.2003)
Sprache ist Kommunikation, doch die Verständigung gerät mehr und mehr ins Stocken. Egal ob Wissenschaft, Politik oder Medizin Fachsprachen sind allgegenwärtig. Im Gegenzug wächst die Zahl jener, die nicht mehr verstehen, was so genannte Experten eigentlich meinen. Für Peter Finke, Professor für Wissenschaftstheorie und Biolinguistik an der Universität Bielefeld, ist eine Umkehr dringend erforderlich. Auch und gerade an den Hochschulen. Im Zweifel müsse sich die Eitelkeit des Wissenschaftlers dem Bürgerinteresse auf Verständlichkeit unterordnen.
Dass heute immer mehr Menschen auch durch sprachliche Barrieren vom Wissenstransfer abgekoppelt sind, hält Finke »für gesellschaftlich bedenklich«. Im Zuge der fortschreitenden Spezialisierung verstünden »immer mehr Menschen von immer mehr Dingen immer weniger«. Eine Entwicklung, die äußerst gefährlich sei, vom bundesdeutschen Bildungssystem allerdings nachhaltig gefördert werde. Die Folge: das Verständnis für Zusammenhänge komme deutlich zu kurz. Und selbst an den Hochschulen steige zwar das Interesse an interdisziplinärer Forschung, in der Lehre dagegen seien solche Kooperationen kein Thema. Mit der Konsequenz, dass die einzelnen Fachbereiche auf dem Campus weit gehend unter sich bleiben und damit »die wechselseitige Verständnislosigkeit weiter fördern«
Eigentlich laße sich jede auch noch so komplizierte Materie für jeden verständlich darstellen. Doch für viele Wissenschaftler sei der Einsatz ihrer Fachsprache längst zu einem Instrument der Profilierung geworden, kritisiert Finke. Fatal könne es sich erweisen, jede Aussage so exakt wie möglich zu präzisieren. Dies zeige das Beispiel Klimaforschung. Hier habe das zu lang anhaltende Bemühen um noch mehr wissenschaftliche Präzision dazu geführt, dass notwendige Maßnahmen erst viel zu spät eingeleitet worden seien. Finke: »Wissenschaftlich sinnvoll ist nur der Grundsatz: So genau wie nötig.«
Positives Beispiel, dass es auch anders geht: Manche Physiker bemühten sich schon seit längerem um mehr Allgemeinverständlichkeit und finden sich plötzlich in Buch-Bestseller-Listen wieder. Ein Vorbild auch für andere Wissenschaften? Zweifellos, doch in Sachen Nachahmung ist Finke eher skeptisch. Zu groß sei das Beharrungsvermögen auf ausgetretenen Wegen. Die Mehrheit von Wissenschaftlern und Experten betrachtete jede Popularisierung ihrer Disziplinen eher als »ein notwendiges Übel«.