Der Johannisberg wird umgestaltet. Das Zwangsarbeiterlager
darf nicht vergessen werden, fordert Wolfgang Herzog vom Verein Gegen
Vergessen für Demokratie. Interview: Silvia Bose
Viertel: Der Umwelt- und Stadtentwicklungsausschuss hat
beschlossen, dass bald auf dem Johannisberg eine Bodenmarkierung zeigen soll,
wo eine der Lagerbaracken stand. Auch der Platz für eine Landschaftsskulptur
wird freigehalten. Wozu das alles? Es gibt dort doch einen Gedenkstein für
Zwangsarbeiter.
Wolfgang Herzog: Dieser Stein war sehr wichtig als er 1989
errichtet wurde - nach einer längeren, heftigen Auseinandersetzung. Er reicht
aber nicht aus, weil er nicht dort steht, wo das Lager war. Und außerdem
vermittelt er nicht, dass dieser Ort Anfang der 40er Jahre in der öffentlichen
Wahrnehmung die zentrale Stelle war, wo Zwangsarbeiter festgehalten wurden.
Warum fordern Sie gleich zwei neue Elemente zum Erinnern?
Unsere beiden Vorschläge haben ganz verschiedene Charaktere.
Die Bodenmarkierung dokumentiert: Hier war eine von vielen Baracken und sie
hatte diese Ausmaße. Die Landschaftsskulptur erinnert dagegen über
Dokumentation, Aufklärung und Information hinaus an das Zwangsarbeiterlager und
die Verbrechen der NS-Zeit. Diese künstlerische Form wirft Fragen auf, gibt
Anstöße und vermittelt über eine emotionale Ebene etwas über das Lager.
Ist die Forderung nach zwei Elementen in Zeiten knapper
Kassen zu vermitteln?
Das ist offensichtlich schwer zu vermitteln. Die
Landschaftsskulptur ist erst einmal ausgeklammert. Denn sie kann nach Einschätzung
der Stadtverwaltung nicht wie die Bodenmarkierung mit Geld aus dem Konjunkturpaket
II finanziert werden. Deshalb wollen wir Sponsoren für die Skulptur gewinnen.
Wie hat denn die Verwaltung auf Ihre Vorschläge reagiert?
Die Verwaltung war sehr interessiert und kooperativ. Ich
hatte den Eindruck, dass unsere Ideen als Bereicherung gesehen wurden. Deshalb
sind unsere Vorstellungen auch mit in die Planung eingeflossen.
Die CDU wollte den Platz für die Landschaftsskulptur ja
nicht freihalten?
Ja, die Redaktionen der Politik waren etwas differenzierter.
Alle Fraktionen stimmten mit uns darin überein, dass es wichtig ist, etwas zu
machen. Bei der Landschaftsskulptur gab es aber auch Fragen zur Finanzierung.
Und vor allem die CDU gab zu bedenken, dass das alles zu viel sein könnte. Die
lange Geschichte des Johannisberges drohe auf fünf Jahre reduziert zu werden.
Und unsere Ideen könnten sich mit dem angedachten Charakter des Johannisbergs
als Zentrum von Geselligkeit, Unterhaltung und Erholung beißen.
Das klingt nicht nach Widerstand, wie ihn vor zwanzig
Jahren noch der Gedenkstein auslöste.
Nein, das ist überhaupt nicht vergleichbar. Die Zeit des
Nationalsozialismus war damals noch näher und über das Thema Zwangsarbeit war
nur wenig bekannt. Das hat sich Ende der 90er Jahre durch die Diskussion um die
Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter geändert. Seitdem haben sich im ganzen
Land Initiativen gegründet und dazu gearbeitet. Auch in Bielefeld. Vor fünf
Jahren hat die Stadt in Kooperation mit uns ehemalige Zwangsarbeiter
eingeladen. Dieser Besuch hat viele beeindruckt und vieles verändert.
Info:
Die Bielefelder Sektion des bundesweiten Vereins Gegen
Vergessen für Demokratie setzt sich seit Jahren dafür ein, die Geschichte
der Zwangsarbeiter in Bielefeld aufzuarbeiten und zu dokumentieren. Mehr Infos
zur Initiative für eine Skulptur im WebWecker
Johannisberg: Geschichte und Pläne
1840 kaufte die Schützengesellschaft den Johannisberg und
ließ dort einen Park anlegen. Zwischen Pavillon, künstlichem Bach, Grotte,
Konzertsaal und Schützenhaus flanierten Betuchte. Im Schützenhaus wurde 1940
ein Lager für französische Kriegsgefangene installiert, 1943 wurde es in ein
Lager für zivile Zwangsarbeiter umgewandelt. Dort, wo heute Autos parken und
Artisten ihr Zirkuszelt aufbauen, wurde 1942 das Lager Bethlehem errichtet. Hier
waren rund 850 Zwangsarbeiter unter verheerenden sanitären Bedingungen
eingepfercht. Meist waren es Frauen, die aus den besetzen Gebieten der
Sowjetunion verschleppt worden waren und bei Dürkopp für die Rüstungsindustrie
schuften mussten. Erst seit 1989 erinnert ein Gedenkstein an das Lager.
Von dieser Geschichte des Johannisbergs ist nicht mehr viel
zu sehen. Bereits im vergangenen Jahr beschloss der Stadtrat den verwilderten
Park zu einem »historischen Panoramapark« wiederzubeleben. Jetzt soll mit Geld
aus dem Konjunkturpaket II auch das Gelände, wo einmal das Zwangsarbeiterlager
war, neu gestaltet werden. Diese Chance will der Verein Gegen Vergessen für
Demokratie nutzen. Er hat vorgeschlagen auf dem geplanten Festplatz den Umriss
einer Baracke durch ein Stahlband sichtbar zu machen. Zudem legte der Verein
den Entwurf für eine Landschaftsskulptur mit dem Titel Unter Zwang vor. Sie
besteht aus einer massiven, 26 Meter langen und 4 Meter breiten, scheinbar
schwebenden Betonplatte, die eine Reihe kleinwüchsiger Bäume einschließt. Die
Skulptur soll an der ehemaligen Lagergrenze stehen und das eingesperrt sein
sowie die geraubten Entwicklungschancen der Lagerinsassen sichtbar machen.