Webwecker Bielefeld: Sponsoren gefragt (01.11.2009)

Sponsoren gefragt (01.11.2009)



Unter Zwang: Für diese Landschaftsskulptur der Künstlerin Susanne Albrecht fehlt Geld. Immerhin wird der Platz für die Skulptur reserviert, bis Sponsoren gefunden sind. Foto: Susanne Albrecht


Der Johannisberg wird umgestaltet. Das Zwangsarbeiterlager darf nicht vergessen werden, fordert Wolfgang Herzog vom Verein ›Gegen Vergessen – für Demokratie‹. Interview: Silvia Bose


Viertel: Der Umwelt- und Stadtentwicklungsausschuss hat beschlossen, dass bald auf dem Johannisberg eine Bodenmarkierung zeigen soll, wo eine der Lagerbaracken stand. Auch der Platz für eine Landschaftsskulptur wird freigehalten. Wozu das alles? Es gibt dort doch einen Gedenkstein für Zwangsarbeiter.

Wolfgang Herzog: Dieser Stein war sehr wichtig als er 1989 errichtet wurde - nach einer längeren, heftigen Auseinandersetzung. Er reicht aber nicht aus, weil er nicht dort steht, wo das Lager war. Und außerdem vermittelt er nicht, dass dieser Ort Anfang der 40er Jahre in der öffentlichen Wahrnehmung die zentrale Stelle war, wo Zwangsarbeiter festgehalten wurden.

Warum fordern Sie gleich zwei neue Elemente zum Erinnern?

Unsere beiden Vorschläge haben ganz verschiedene Charaktere. Die Bodenmarkierung dokumentiert: Hier war eine von vielen Baracken und sie hatte diese Ausmaße. Die Landschaftsskulptur erinnert dagegen über Dokumentation, Aufklärung und Information hinaus an das Zwangsarbeiterlager und die Verbrechen der NS-Zeit. Diese künstlerische Form wirft Fragen auf, gibt Anstöße und vermittelt über eine emotionale Ebene etwas über das Lager.

Ist die Forderung nach zwei Elementen in Zeiten knapper Kassen zu vermitteln?

Das ist offensichtlich schwer zu vermitteln. Die Landschaftsskulptur ist erst einmal ausgeklammert. Denn sie kann nach Einschätzung der Stadtverwaltung nicht wie die Bodenmarkierung mit Geld aus dem Konjunkturpaket II finanziert werden. Deshalb wollen wir Sponsoren für die Skulptur gewinnen.

Wie hat denn die Verwaltung auf Ihre Vorschläge reagiert?

Die Verwaltung war sehr interessiert und kooperativ. Ich hatte den Eindruck, dass unsere Ideen als Bereicherung gesehen wurden. Deshalb sind unsere Vorstellungen auch mit in die Planung eingeflossen.

Die CDU wollte den Platz für die Landschaftsskulptur ja nicht freihalten?

Ja, die Redaktionen der Politik waren etwas differenzierter. Alle Fraktionen stimmten mit uns darin überein, dass es wichtig ist, etwas zu machen. Bei der Landschaftsskulptur gab es aber auch Fragen zur Finanzierung. Und vor allem die CDU gab zu bedenken, dass das alles zu viel sein könnte. Die lange Geschichte des Johannisberges drohe auf fünf Jahre reduziert zu werden. Und unsere Ideen könnten sich mit dem angedachten Charakter des Johannisbergs als Zentrum von Geselligkeit, Unterhaltung und Erholung beißen.

Das klingt nicht nach Widerstand, wie ihn vor zwanzig Jahren noch der Gedenkstein auslöste.

Nein, das ist überhaupt nicht vergleichbar. Die Zeit des Nationalsozialismus war damals noch näher und über das Thema Zwangsarbeit war nur wenig bekannt. Das hat sich Ende der 90er Jahre durch die Diskussion um die Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter geändert. Seitdem haben sich im ganzen Land Initiativen gegründet und dazu gearbeitet. Auch in Bielefeld. Vor fünf Jahren hat die Stadt in Kooperation mit uns ehemalige Zwangsarbeiter eingeladen. Dieser Besuch hat viele beeindruckt und vieles verändert.

Info:
Die Bielefelder Sektion des bundesweiten Vereins ›Gegen Vergessen – für Demokratie‹ setzt sich seit Jahren dafür ein, die Geschichte der Zwangsarbeiter in Bielefeld aufzuarbeiten und zu dokumentieren. Mehr Infos zur Initiative für eine Skulptur im WebWecker


Johannisberg: Geschichte und Pläne

1840 kaufte die Schützengesellschaft den Johannisberg und ließ dort einen Park anlegen. Zwischen Pavillon, künstlichem Bach, Grotte, Konzertsaal und Schützenhaus flanierten Betuchte. Im Schützenhaus wurde 1940 ein Lager für französische Kriegsgefangene installiert, 1943 wurde es in ein Lager für ›zivile‹ Zwangsarbeiter umgewandelt. Dort, wo heute Autos parken und Artisten ihr Zirkuszelt aufbauen, wurde 1942 das Lager ›Bethlehem‹ errichtet. Hier waren rund 850 Zwangsarbeiter unter verheerenden sanitären Bedingungen eingepfercht. Meist waren es Frauen, die aus den besetzen Gebieten der Sowjetunion verschleppt worden waren und bei Dürkopp für die Rüstungsindustrie schuften mussten. Erst seit 1989 erinnert ein Gedenkstein an das Lager.

Von dieser Geschichte des Johannisbergs ist nicht mehr viel zu sehen. Bereits im vergangenen Jahr beschloss der Stadtrat den verwilderten Park zu einem »historischen Panoramapark« wiederzubeleben. Jetzt soll mit Geld aus dem Konjunkturpaket II auch das Gelände, wo einmal das Zwangsarbeiterlager war, neu gestaltet werden. Diese Chance will der Verein ›Gegen Vergessen – für Demokratie‹ nutzen. Er hat vorgeschlagen auf dem geplanten Festplatz den Umriss einer Baracke durch ein Stahlband sichtbar zu machen. Zudem legte der Verein den Entwurf für eine Landschaftsskulptur mit dem Titel ›Unter Zwang‹ vor. Sie besteht aus einer massiven, 26 Meter langen und 4 Meter breiten, scheinbar schwebenden Betonplatte, die eine Reihe kleinwüchsiger Bäume einschließt. Die Skulptur soll an der ehemaligen Lagergrenze stehen und das eingesperrt sein sowie die geraubten Entwicklungschancen der Lagerinsassen sichtbar machen.