Sonne, Salsa, Schweinefleisch Arndt Möller macht
Urlaub in Kuba
Ungefähr fünf Menschen nehmen mich vor dem Flughafen Havanna
in Empfang. Wir müssen auf weitere Mitreisende warten. Ich vertreibe mir die
Zeit damit, nach Kakerlaken Ausschau zu halten. Es riecht ein bisschen nach
exotischen Blüten und ganz stark nach Autoabgasen. Der Nachteil der bei Touris
so beliebten alten US-Straßenkreuzer. »Des isch der typische Geruch von Havanna«,
sagt die schwäbische oder badische Petra, um dann ausführlich zu schildern,
»dass sie ja so gern Salsa tanscht«. Wahnsinnig spannend. Apropos grausame
Dialekte: zwei ganz in rosa gekleidete Brillenträgerinnen stellen sich auf
sächsisch vor! »Isch bin de Godjo.« - »Isch bin de Goddrin.«
Das Hotel Inglaterra ist eine Unterkunft im Kolonialstil.
Die Auswahl beim Frühstück entspricht aber nicht Gouverneur Möllers
Vorstellungen, sondern real existierendem Sozialismus. Nicht eine einzige
Scheibe Käse, und der Kellner bequemt sich erst nach mehrfacher Aufforderung,
mir Kaffee einzuschenken! Dabei gibt es reichlich Personal, das sich die Beine
in den Bauch steht.
Es gibt Reis, schwarze Bohnen und Schweinefleisch, jeden
TagDann sehen wir uns die Stadt an. Überall wird gebettelt, und ich schwitze
wie ein Schwein. Das Mittagessen schmeckt trotzdem. Es gibt Reis, schwarze
Bohnen und Schweinefleisch. Ab jetzt jeden Tag. Und Musik: überall dudeln
Combos im Buena Vista-Sound, der mir vor Jahren schon auf den Piescher ging,
als man in jeder deutschen Kneipe damit gefoltert wurde.Am nächsten Tag besuchen
wir in einem Problemstadtteil Havannas eine Arztpraxis (die noch spartanischer
eingerichtet ist als in Polen), eine Schule, eine Musikveranstaltung (mal was
ganz anderes) und einen kubanischen Voodoo-Priester. Die anderen verspritzen
vor dem mit lauter Müll voll gestellten Schrein wie gewünscht Wasser, ich aber
bleibe standhaft und mache den Hokuspokus nicht mit. Ich ahne ja nicht, dass in
wenigen Minuten viel Schlimmeres von mir erwartet wird.
Es fängt ganz harmlos an. Im Kulturzentrum gibt es lecker
Mittagessen und ziemlich starke Cocktails. Plötzlich ruft die Reiseleiterin:
»Ihr bildet Parre, und dann ihr tanzt zur Musik. In därr Mitte steht einer mit
Bäsenn. Wenn er den Bäsenn fallen lässt, ihr müsst Partnärr tauschen. Wärr
übrig bleibt, kriegt den Bäsenn.« Normalerweise bin ich dafür prädestiniert.
Diesmal nicht. Sobald der blöde Besen fällt, stürmt eine unglaublich dicke
Kubanerin auf mich zu und reißt mich an sich. Meine rechte Hand verschwindet
zwischen den Fettschichten ihres Rückens. Drei Kreuze mache ich innerlich (und
danke allen Voodoo-Göttern), als uns Busfahrer Joel aus dieser Tanzhölle
befreit.
Ein paar Tage später. Ich habe die Schnauze voll. Mich
kotzen die Mitreisenden an, die hohen Temperaturen und die Musiker in den
Hotels und Kneipen. Beim Abendessen fertigt ein kubanischer
Schnellzeichner-Oskar ein farbiges Portrait von mir an. Die Karikatur einer
bösartigen, mürrischen Fratze. Leider hat der hijo de puta mich genau getroffen.
Kubaner freuen sich über jeden, der sich irgendwie bewegt
Wir reisen in die Sierra Maestra. Hier hatte sich Fidel mit
seinen Revolutionären versteckt. Ist zwar schon ein paar Wochen her, aber die
Bevölkerung ist immer noch stramm auf Linie. Nirgendwo sieht man so viele
selbstgemachte Plakate, die Friede, Freude und Sozialismus preisen. Und genau
hier will uns Reiseleiterin Estrella im Nahkampf ausbilden, ... im Tanzen.
Martin aus Münster hat eine zündende Idee. Er steckt sich eine dicke Havanna
an, ist damit für Stunden beschäftigt und fällt als Tänzer aus. Warum bin ich
eigentlich Nichtraucher? Der Steuerprüfer, Eva Herman-Sympathisant und
CDU-Wähler Dirk aus Berlin erklärt Estrella, wie man nach »janz jenau
festjelechten deutschen Rejeln« das Tanzbein schwingt. Sie lässt sich nicht aus
dem Konzept bringen, sondern versichert hüftsteifen Tanzbären wie mir, dass die
Kubaner sich über jeden freuen, der sich irgendwie bewegt. Ich gebe es ungern
zu und schon gar nicht öffentlich: Es ist der erste Abend, an dem ich so etwas
wie ich mag das Wort gar nicht in den Mund nehmen Spaß habe.
Er vergeht mir schnell wieder. Die Sächsin »Godjo« ist
schuld. Im nächsten Hotel passt ihr der Tisch beim Abendessen nicht: »Do sind
jo überoll Ooomeisen!« Die Klimaanlage ist zu kalt und zu laut. Kurz darauf
wagen sich die dreisten Ameisen an unseren Ersatztisch. Und dann weigern sich
die Kellner auch noch, für jeden einzeln abzurechnen. Ich erinnere mich
peinlich berührt an den Abend, an dem »Goddrin« beim Essen erzählte, was sie
Weihnachten so alles in sich reinzustopfen pflegt. Ich wagte es anzumerken, wir
könnten nur hoffen, dass in diesem bettelarmen Land niemand deutsch verstehe.
»Wieso?«, fuhr mich »Goddrin« an. »Wos geht misch denen Ihr Elend on? Wir
hodden doch domols ooooch nix!«. »Goddrin« weiß alles über 40 Jahre DDR. Mit 29
gehört sie ja quasi zu denen, die die russische Revolution noch erlebt haben.
Ausgebuffte Kakerlaken
Dass ich am Ende der Reise noch an Scheißerei erkranke,
trotzdem schnorcheln gehe, dass ich die halbe Nacht eine ziemlich schnelle und
ausgebuffte Kakerlake durchs Zimmer jage, dass es am Strand jede Menge
widerliche, etwa zwei Zentimeter große Krabben mit bedrohlichen Scheren gibt,
ich erwähne es nur am Rande.
Als ich schließlich in Frankfurt den Flieger verlasse und in
die kalte, graue, regnerische Oktobernacht trete, endet er schließlich doch
noch, der Fluch der Karibik. Oder?
Wenige Wochen später, Sonntagvormittag. Das Telefon
klingelt: »Hallo Arndt, hier ist der Dirk aus Berlin. Wie jehts denn so .....
Du kommst doch zu unser´m Nachtreffen, wa? Ach, wat ick noch erzählen wollte.
Blah, blah, blah ...
Info:
Arndt Möller arbeitet als freier Hörfunk- und
Fernsehjournalist in Bielefeld. Der talentlose Freizeitsportler, der in einem
früheren Leben mal Historiker war, schreibt auch Kurzgeschichten und Songs.