Mit dem privaten Wachdienst an der Uni haben manche
Studierende Probleme. Der Grund der erfolgten Kündigung passt ihnen aber auch
nicht, hat Mario A. Sarcletti erfahren
Solidarität kann schwierig sein. Das erfahren gerade
Studierendenvertreter an der Uni Bielefeld. Denn sie solidarisieren sich zur
Zeit mit Leuten, die sie eigentlich gar nicht an ihrer Hochschule sehen wollen:
Den Wachleuten von Prodiac.
Eigentlich müssten sie sich freuen, dass die Uni den Vertrag
mit Prodiac zum 30. September gekündigt hat. Immer wieder stehen die
Hilfssheriffs in der Kritik, bei Protesten soll es wiederholt zu verbalen und
auch handfesten Übergriffen gekommen sein. Dennoch findet nicht nur die
AStA-Vorsitzende Malin Houben: »An und für sich müssen Menschen vernünftig
bezahlt werden«.
»Vernünftig bezahlt« heißt zumindest Tariflohn. Aber noch
nicht einmal den erhielten die rund 600 Mitarbeiter von Prodiac bis Ende
vergangenen Jahres. Ein Gesetzesverstoß, da der Tarif seit März 2007 im
Bewachungsgewerbe auch für nicht organisierte Arbeitgeber verbindlich ist. Im
Oktober vergangenen Jahres durchsuchte deshalb der Zoll das Gebäude an der
Eckendorfer Straße, Prodiac muss 750.000 Euro an Sozialversicherungsbeiträgen
nachzahlen, im Dezember wurde die Geschäftsführung gefeuert.
Dabei habe Prodiac bei dem Vertrag im Umfang »eines höheren
sechsstelligen Betrages« pro Jahr eine Tariftreueerklärung abgegeben, sagt
Christian Schepers, Technischer Direktor der Universität. »Von daher sind wir
immer davon ausgegangen, dass Prodiac Tariflöhne bezahlt«.
Das war zumindest blauäugig. Der niedrigste Tariflohn
beträgt 7,53 Euro, die Uni zahlt 10,40 Euro pro Mitarbeiter-Stunde. »Jeder
Preis unter 11 Euro heißt im Grunde, dass wir bei Tariflohn drauf legen
müssen«, rechnet Prodiac-Prokurist Dirk Raddy vor. Schließlich müssten
Lohnnebenkosten und Infrastruktur bezahlt werden. Also wollte Prodiac den Preis
ebenso wie den Lohn anheben, die Uni kündigte daraufhin den Vertrag.
Zuschlag für windige Wettbewerber?
Dass für Prodiac »unter dem Strich nicht viel rumkommt«, ist
auch Christian Schepers klar. »Es ist kein Minusgeschäft, es ist kein Gewinn,
es ist Renommee, wenn eine Hochschule versorgt wird«, meint er. Dirk Raddy,
seit Dezember bei Prodiac, räumt ein, dass das Unternehmen manchmal auch
»politische Preise« machen müsse. »Aber das können wir uns nicht erlauben, für
kein Renommee der Welt«, sagt der Betriebswirtschaftler zu den Uni-Konditionen.
Er hofft, auch mit dem neuen Angebot den Zuschlag bei der europaweiten Ausschreibung
zu bekommen. »Ich denke, dass die Universität, auch wenn sie als Hauptkriterium
den Preis zugrunde legt, darauf achten muss, dass ihr nicht irgendein windiger
Wettbewerber ein Angebot zu Dumpingpreisen vorlegt«, erklärt der Prokurist des
Unternehmens, das 2005 selbst noch mit solchen Preisen den Zuschlag erhielt.
Einen politischen Preis zahlt die Universität nach Meinung
des Politikwissenschaftlers Volker Eick von der FU Berlin grundsätzlich dafür,
dass sie einen externen Wachdienst einsetzt. »Kommerzielle Sicherheitsdienste
stellen eine Intensivierung sozialer Kontrolle, Überwachung und gegebenenfalls
Disziplinierung von universitären Mitarbeitern, Studierenden und Gästen dar«,
stellt er fest. Dass sie bei Studierendenprotesten eingesetzt werden, stehe
»für die Auslagerung und Verweigerung von inhaltlicher Auseinandersetzung mit
den berechtigten Forderungen der Studierenden sowie für das rigide
Durchsetzen des Hausrechts der Universitätsleitungen«.
Studierendenvertreter beklagen, dass dieses Hausrecht, das
sowohl die Uni als auch Prodiac für sich reklamieren, bei Protesten tatsächlich
äußerst rigide durchgesetzt wird. »Es gibt auch von der Senatssitzung im
Februar Videos, in denen Leute geschlagen und getreten wurden«, sagt Malin
Houben. Zudem seien Studentinnen sexistisch beschimpft worden.
Davon wollen weder Christian Schepers noch Dirk Raddy etwas
wissen. Seine Mitarbeiter seien zur Deeskalation angehalten, erklärt der
Prodiac-Prokurist und räumt gleichzeitig ein: »Aber es lässt sich natürlich
nicht verhindern, auch mal etwas robuster vorzugehen und jemanden des Platzes
zu verweisen«. Allerdings gehören Platzverweise nicht zu den Kompentenzen
privater Wachleute. »Die haben keine zusätzlichen Befugnisse, es sind die, die
alle Bürger haben«, stellt Christian Schepers klar.
Dass dies auch gegenüber den Studierenden klargestellt wird,
wünscht sich Malin Houben. Außerdem sollen die Wachleute Dienstnummern tragen,
um sie identifizieren zu können. »Auf Fragen nach dem Namen sind Sprüche wie
Ich bin ein Amokläufer gekommen«, beschreibt die AStA-Vorsitzende ihre
Erfahrungen. Am liebsten wäre es ihr, wenn die Aufgaben der privaten Sheriffs
wie an anderen Hochschulen von Hausmeistern wahrgenommen würden. Die sind für
die Uni allerdings eine Preisfrage. Eine aktuell an der Uni Dortmund
ausgeschriebene Hausmeisterstelle wird nach Stufe 6 des Tarifvertrags der
Länder bezahlt. Macht etwa 12,50 Euro pro Stunde. Zuzüglich Lohnnebenkosten.