Webwecker Bielefeld: Preis der Überwachung (01.07.2009)

Preis der Überwachung (01.07.2009)



Nur die Befugnisse, die alle Bürger haben? Prodiac-Mitarbeiter im Einsatz



Mit dem privaten Wachdienst an der Uni haben manche Studierende Probleme. Der Grund der erfolgten Kündigung passt ihnen aber auch nicht, hat Mario A. Sarcletti erfahren

 

Solidarität kann schwierig sein. Das erfahren gerade Studierendenvertreter an der Uni Bielefeld. Denn sie solidarisieren sich zur Zeit mit Leuten, die sie eigentlich gar nicht an ihrer Hochschule sehen wollen: Den Wachleuten von Prodiac.

Eigentlich müssten sie sich freuen, dass die Uni den Vertrag mit Prodiac zum 30. September gekündigt hat. Immer wieder stehen die Hilfssheriffs in der Kritik, bei Protesten soll es wiederholt zu verbalen und auch handfesten Übergriffen gekommen sein. Dennoch findet nicht nur die AStA-Vor­sitzende Malin Houben: »An und für sich müssen Menschen vernünftig bezahlt werden«.

»Vernünftig bezahlt« heißt zumindest Tarif­lohn. Aber noch nicht einmal den erhielten die rund 600 Mitarbeiter von Prodiac bis Ende vergangenen Jahres. Ein Gesetzesverstoß, da der Tarif seit März 2007 im Bewachungsgewerbe auch für nicht organisierte Arbeitgeber verbindlich ist. Im Oktober vergangenen Jahres durchsuchte deshalb der Zoll das Gebäude an der Eckendorfer Straße, Prodiac muss 750.000 Euro an Sozialversicherungsbeiträgen nachzahlen, im Dezember wurde die Geschäftsführung gefeuert.

Dabei habe Prodiac bei dem Vertrag im Umfang »eines höheren sechsstelligen Betrages« pro Jahr eine Tariftreueerklärung abgegeben, sagt Christian Schepers, Tech­nischer Direktor der Universität. »Von daher sind wir immer davon ausgegangen, dass Prodiac Tariflöhne bezahlt«.

Das war zumindest blauäugig. Der niedrigste Tariflohn beträgt 7,53 Euro, die Uni zahlt 10,40 Euro pro Mitarbeiter-Stunde. »Jeder Preis unter 11 Euro heißt im Grunde, dass wir bei Tariflohn drauf legen müssen«, rechnet Prodiac-Prokurist Dirk Raddy vor. Schließlich müssten Lohnnebenkosten und Infrastruktur bezahlt werden. Also wollte Prodiac den Preis ebenso wie den Lohn anheben, die Uni kündigte daraufhin den Vertrag.

Zuschlag für windige Wettbewerber?

Dass für Prodiac »unter dem Strich nicht viel rumkommt«, ist auch Christian Schepers klar. »Es ist kein Minusgeschäft, es ist kein Gewinn, es ist Renommee, wenn eine Hochschule versorgt wird«, meint er. Dirk Raddy, seit Dezember bei Prodiac, räumt ein, dass das Unternehmen manchmal auch »politische Preise« machen müsse. »Aber das können wir uns nicht erlauben, für kein Renommee der Welt«, sagt der Betriebswirtschaftler zu den Uni-Konditionen. Er hofft, auch mit dem neuen Angebot den Zuschlag bei der europaweiten Ausschreibung zu bekommen. »Ich denke, dass die Universität, auch wenn sie als Hauptkriterium den Preis zugrunde legt, darauf achten muss, dass ihr nicht irgendein windiger Wettbewerber ein Angebot zu Dumpingpreisen vorlegt«, erklärt der Prokurist des Unternehmens, das 2005 selbst noch mit solchen Preisen den Zuschlag erhielt.

Einen politischen Preis zahlt die Universität nach Meinung des Politikwissenschaftlers Volker Eick von der FU Berlin grundsätzlich dafür, dass sie einen externen Wachdienst einsetzt. »Kommerzielle Sicherheitsdienste stellen eine Intensivierung sozialer Kontrolle, Überwachung und gegebenenfalls Disziplinierung von universitären Mitarbeitern, Studierenden und Gästen dar«, stellt er fest. Dass sie bei Studierendenprotesten eingesetzt werden, stehe »für die Auslagerung und Verweigerung von inhaltlicher Auseinandersetzung mit den – berechtigten – Forderungen der Studierenden sowie für das rigide Durchsetzen des Hausrechts der Universitätsleitungen«.

Studierendenvertreter beklagen, dass dieses Hausrecht, das sowohl die Uni als auch Prodiac für sich reklamieren, bei Protesten tatsächlich äußerst rigide durchgesetzt wird. »Es gibt auch von der Senatssitzung im Februar Videos, in denen Leute geschlagen und getreten wurden«, sagt Malin Houben. Zudem seien Studentinnen sexistisch beschimpft worden.

Davon wollen weder Christian Schepers noch Dirk Raddy etwas wissen. Seine Mitarbeiter seien zur Deeskalation angehalten, erklärt der Prodiac-Prokurist und räumt gleichzeitig ein: »Aber es lässt sich natürlich nicht verhindern, auch mal etwas robuster vorzugehen und jemanden des Platzes zu verweisen«. Allerdings gehören Platzverweise nicht zu den Kompentenzen privater Wachleute. »Die haben keine zusätzlichen Befugnisse, es sind die, die alle Bürger haben«, stellt Christian Schepers klar.

Dass dies auch gegenüber den Studierenden klargestellt wird, wünscht sich Malin Houben. Außerdem sollen die Wachleute Dienstnummern tragen, um sie identifizieren zu können. »Auf Fragen nach dem Namen sind Sprüche wie ›Ich bin ein Amokläufer‹ gekommen«, beschreibt die AStA-Vorsitzende ihre Erfahrungen. Am liebsten wäre es ihr, wenn die Aufgaben der privaten Sheriffs wie an anderen Hoch­schulen von Hausmeistern wahrgenommen würden. Die sind für die Uni allerdings eine Preisfrage. Eine aktuell an der Uni Dortmund ausgeschriebene Hausmeisterstelle wird nach Stufe 6 des Tarifvertrags der Länder bezahlt. Macht etwa 12,50 Euro pro Stunde. Zuzüglich Lohnnebenkosten.