Von Harald Manninga
Das weiß man aus der Anfangszeit des Films: Gesprochen werden muss nicht viel, um eine Geschichte zu erzählen. In den allerersten Filmen gab es sogar nicht einmal eine eigentliche Geschichte, denn die unerhörte Neuigkeit, die vor ein bisschen mehr als hundert Jahren die Kirmes-Schaubuden eroberte, bot dem Publikum zunächst vor allem Unterhaltung, die sich an Formen der Varieté- und Zirkusakrobatik orientierte.
Die berühmten Slapstick-Stummfilme der ersten zwanzig Jahre des vergangenen Jahrhunderts behielten dies, bei aller erzählerischen Entwicklung, bei: Clownerie, Körperbeherrschung und übertriebener Gesichtsausdruck blieben lange Zeit beherrschende Elemente.
In ihrem zweiten abendfüllenden Spielfilm knüpfen der Belgier Dominique Abel und die Kanadierin Fiona Gordon an diese alten Traditionen an. Denn sie verstehen sich selbst in erster Linie als Clowns.
Die Handlung ist dem ganz angepasst: Fiona (Fiona Gordon) und Dom (Dominique Abel) sind ein sehr verliebtes Paar und teilen eine Leidenschaft zur Rumba. Sie sind als Tanzpaar auch sehr erfolgreich und nennen jede Menge Turnierpokale ihr Eigen. Eines Tages auf dem Rückweg von wieder noch einer Tanzveranstaltung treffen sie auf den verhinderten Selbstmörder (Philippe Martz), der unter einer Brücke mitten auf der Straße steht. Beim Versuch ihm auszuweichen, setzen sie ihr Auto vor eine Wand und wachen erst im Krankenhaus wieder auf. Fiona liegt im Ganzkörpergips, ihr linker Unterschenkel ist amputiert; Dom seinerseits hat sein Gedächtnis verloren, und zwar komplett: Nicht nur, dass er sich an nichts von früher erinnert, er hat auch kein Kurzzeitgedächtnis mehr und vergisst von jetzt auf gleich alles.
Nach dem Klinikaufenthalt wieder zu Hause, versuchen sie, so gut es geht mit dem weiteren Leben zurechtzukommen. Also Dom jedoch eines Morgens beim Brötchenholen den Heimweg vergessen hat, trennen sich ihre Wege zwangsläufig. Fiona begibt sich auf die Suche nach Dom, aber erst nach vielen Missgeschicken und Katastrophen finden die zwei wieder zueinander.
Die Anklänge, manchmal echte Zitate, an solche Vorbilder wie Jacques Tati oder auch Buster Keaton sind unverkennbar. Und das macht diesen Film denn auch leicht problematisch: Was seinerzeit funktioniert hat, ist nicht so leicht auf moderne Verhältnisse übersetzbar. Lustig und grotesk ist der Film zwar allerdings, doch wird er nicht unbedingt den Forderungen an einen Film wirklich gerecht. Wie gesagt verstehen Abel und Gordon sich vornehmlich als Clowns, und so agieren sie denn natürlich auch. Hier liegt das zweite Problem dieses Films: die Übersetzung der Form von der Varieté-Bühne oder der Zirkus-Arena auf die Kinoleinwand ist schon mehr ein Gewaltakt.
Dennoch besticht dieser konsequent unkonventionelle Film den (aber wohl nur den) geneigten Zuschauer zwar durch ausgesprochen witzige Einfälle, schöne Bilder und höchst gekonnte akrobatische Leistungen: allein die Art, wie Fiona Gordon mit halbem linkem Bein agiert, ist eine Schau für sich. Das subversive Potential der erkennbaren Vorbilder erreicht man aber zum Beispiel nicht. Vielleicht war das auch gar nicht intendiert?
Bei seiner deutschen Erstaufführung bei den 42. Internationalen Hofer Filmtagen stieß Rumba (B/F 2008, 77 Min.) jedenfalls auf ein eher geteiltes Echo.