Von Harald Manninga
Was man in Filmkreisen »Mockumentary« nennt, verhält sich zum Dokumentarfilm ungefähr wie die »Mockturtle« zur Schildkrötensuppe: Das je grundlegende Rezept ist zwar das
gleiche, bestimmte Zutaten werden aber in der Küche bzw. an
Drehbuchschreibtisch und Schnittplatz zielgerichtet abgewandelt, um einen
bestimmten Effekt zu erzeugen und den jeweiligen Konsumenten in gewisser Weise
auf die Schippe zu nehmen. Was der sich aber gern gefallen lässt, denn er weiß
oder ahnt zumindest schon vor dem Genuss, was ihm bevorsteht.
So also auch hier: Der
unscheinbare Daisato, langhaarig, ungewaschen, leicht schlampig gekleidet, wird
im heimischen Tokio von einem Kamerateam verfolgt und bei allerlei
Gelegenheiten über sein Leben ausgefragt und bei seinen Antworten abgefilmt. Er
lebt in seinem Häuschen allein und etwas unordentlich; von seiner Frau
getrennt, die auch das gemeinsame Kind mitgenommen hat. Daisato hat nämlich
einen höchst ungewöhnlichen Job, der es ihm sogar verbietet, mit der Tochter
bei den wenigen Besuchen auch nur ins Kino zu gehen er ist ein Superheld, der »Große Japaner« oder im lokalen Jargon der Dainipponjin, den
jederzeit ein Auftrag zur Rettung Japans vor fürchterlichen Monstern ereilen
kann.
Blöd ist dabei aber, dass es an
der Monsterfront kaum noch große und spektakuläre Gegner wie etwa Godzilla mehr
gibt, außerdem sind die Einschaltquoten bei Monsterkämpfen seit Jahren
rückläufig, Aufzeichnungen seiner Kämpfe zur Rettung Japans vor der völligen
Zerstörung sind von der Prime Time längst ins Nachtprogramm abgerutscht: Das
japanische Publikum lässt sich vielleicht ja gern hie und da mal vor
Bedrohungen durch abstruse Wesen retten, die einbeinig einfach alles zertramplen oder Hochhäuser ausreißen, um in deren Fundamenten Eier abzulegen. Bei diesen Kämpfen zusehen oder gar dafür bezahlen
möchte es aber schon lange nicht mehr so recht. Wenn es wieder sehenswerte
Kämpfe gäbe, so wie früher, dann vielleicht... Ansonsten findet man den Dainipponjin
im allgemeinen eher lästig: Seine Arbeit macht Krach, hinterlässt Schutt
und Abfall, ist wohl insgesamt nicht mehr zeitgemäß. Monster gibt es eh immer
weniger, und der momentane Dainipponjin ist dann also auch der Letzte seiner Art.
Ungefähr so gab es das
inhaltlich schon mal beim Pixar-Film Die Unglaublichen, da wurden die
titelgebenden Superhelden mit ihren jeweiligen Superkräften der Bevölkerung
auch mehr lästig als nützlich und folglich der Anrichtung öffentlicher
Unordnung angeklagt.
In diesem Fall spielt Regisseur
Hitoshi Matsumoto (der auch die Hauptrolle des mit der Kamera verfolgten
Protagonisten spielt und sich im Abspann ganz listig hinter dem Pseudonym Hitosi Matumoto verbirgt) aber auf ganz andere Weise mit diesem Motiv. Überhaupt
scheint er die ganze Zeit zum Spielen aufgelegt, mit Sehgewohnheiten, mit künstlerischen und filmischen Formen, mit Ideen. (Es
schadet gar nichts, wenn man in jungen Jahren oder auch kürzlich mal einen Godzilla-Film gesehen
hat, im Gegenteil! Allerdings sollte man sich da schon am Original orientieren, nicht an Roland Emmerichs Remake-Versuch, der mit Japan und dem wahren Godzilla ja nichts zu tun hatte.) Außerdem spielt er mit
Gegensätzlichkeiten zwischen Ost und West.
Nicht zuletzt Letzteres, denn
ein politischer Kommentar ist dieser Film (natürlich?) ebenfalls. Auf das moderne Japan sowieso, Auf unser aller Werbe- und Medienwirtschaft und die Auswüchse
globalen Wirtschaftsgebarens außerdem. Sowas geht nämlich nicht mehr nur »national«.
Und selbst ohnedem: Dieser Film
ist an bestimmten Stellen zudem so unerwartet und verblüffend wie unfassbar
komisch, dass es einem das Zwerchfell zerreißen möchte.